Ein 26-PS-Trabant de luxe kann heute noch einen 22-Jährigen begeistern – auch wenn dieser nicht aus der ehemaligen DDR stammt. Max Schürholz liefert mit seinem Schmuckstück Erich den Beweis.

Leonberg - Erich funkelt und blitzt in der warmen Oktober-Sonne. Muss er auch, denn „Erich“ ist etwas Besonderes. Er ist die Krönung von 40 Jahre DDR und gleichzeitig das Symbol ihres Niedergangs. Erich ist nämlich ein Trabant 601, der sich mit dem Zusatz „de luxe“ schmücken darf und der im Jahr 1989 im Sachsenring Automobilwerk Zwickau gebaut wurde. Heute steht „Erich“ in Rutesheim in der Römerstraße und sein stolzer Besitzer Max Schürholz ist fünf Jahre jünger als das einstige Flaggschiff der DDR-Automobilbauer.

 

Für den jungen Rutesheimer ist die Deutsche Demokratische Republik ein Begriff aus dem Geschichtsbuch. „Weder die Eltern noch die Großeltern hatten je etwas mit der DDR zu tun – ich bin in Rutesheim geboren, habe hier das Gymnasium besucht. Ich bin also so etwas wie fremdinfiziert“, begründet er sein Interesse für den lärmenden und stinkenden Zweitakter.

„Oh, ein Trabant!“

Begonnen hatte alles bei einer Übung der örtlichen Jugendfeuerwehr. „Da fuhr ein Wagen vorbei und allen riefen erstaunt: Oh, ein Trabant!“, erinnert sich Max Schürholz. Als geschichtsinteressierter Schüler beschäftigte er sich dann mit dem Auto aus Zwickau. Mit 14 stand für ihn fest: „Wenn ich einmal 18 bin, dann will ich auch einen Trabant fahren.“ Doch es kam alles viel schneller. Max Schürholz war 15, da kaufte ihm die Familie in Schwanau bei Lahr den Trabant. „Der Wackeldackel, der auf der Hutablage steht, war auch dabei. Irgendwie gehörte der wohl zur Standardausrüstung“, scherzt der junge Mann. „Weil natürlich auch ein Hut für die obligate Klopapierrolle nicht fehlen darf, hat eine Freundin meiner Mutter einen für mich gehäkelt“, erzählt der Rutesheimer schmunzelnd.

„Es ist keine Ostalgie, die mich zum Trabant-Liebhaber gemacht hat, sondern ich fand es schade, dass ein geschichtsträchtiges Auto einfach so hunderttausendfach weggeschmissen wird“, sagt der 21-Jährige. Was natürlich großen Spaß mache, sei die Tatsache, dass man selbst an dem Auto herumschrauben könne, denn in Werkstätten würden sich kaum Mechaniker dafür finden.

Fast alles ist im Originalzustand

„Alles ist original bis auf die Blinker vorne, auch der hintere Kennzeichenhalter vom Autohaus der Tennislegende Boris Becker ist erst später dazu gekommen“, verrät Max Schürholz. Dabei ist sein 601 de luxe schon etwas Besonderes, denn zum 40. Jahrestag der DDR 1989 gab es die Vollausstattung: Chromleisten, Nebelschlussleuchte, Rückfahrscheinwerfer, Kopfstützen, Radio, Vier-Speichen-Lenkrad. „Sogar eine elektrische Wischwasserpumpe ist dabei, die musste sonst von Hand betätig werden“, nennt Max Schürholz fachkundig ein technisches Detail.

Vorsichtig poliert der junge Mann, der nach einer Ausbildung zum Elektroniker in Karlsruhe Elektrotechnik studieren wird, über die Haube. „Es ist eine Legende, dass ein Trabi nicht rostet, unter der Kunststoffbeschichtung ist er auch aus Blech“, weiß er um die Schwächen seines Zweitakters, der bei 600 Kubik Hubraum stolze 26 PS schafft.

„Es ist ein zuverlässiger Begleiter“, sagt Max Schürholz und deshalb hat er „Erich“ mit einem Augenzwinkern zwei Aufkleber „Held der Arbeit“ spendiert. Überhaupt gehöre Humor dazu, wenn man einen Trabi fahre. „Man wird schon auf die Schippe genommen, aber das Auto liefert auch schnell Gesprächsstoff mit Fremden.“ Weil der Trabi in der Rutesheimer Römerstraße „Erich“ heißt, schmückt ein Erich-Honecker-Hut die Ablage. Daneben klebt auf der Windschutzscheibe das Zitat „Vorwärts immer, rückwärts nimmer!“, das der SED-Generalsekretär in der Festansprache zum 40. DDR-Jahrestag am 7. Oktober 1989 sagte.

„Das passt natürlich gut zu einem Auto, doch es ist auch eine Mahnung an alle Unrechtsstaaten, wie schnell sie von der Geschichte eingeholt werden können“, meint Max Schürholz und lächelt dabei.