Das Amtsgericht verurteilt einen 66-jährigen Autofahrer wegen Körperverletzung. Er schlug eine Autofahrerin mit der Faust, weil sie ihm zu langsam fuhr.

Leonberg - Der Vorfall im vergangenen August habe sie „psychisch mitgenommen“, erzählte die 37-jährige Weil der Städterin unter Tränen. Noch lange danach habe sie sogar Angst gehabt, wenn sie im Rückspiegel ein Auto hinter sich erblickte. Weil ihr das Erlebnis schwer zusetzte, sei sie drei Tage krankgeschrieben gewesen, berichtete sie mit zittriger Stimme und befürchtete nach der üblichen Verlesung ihrer Adresse Repressalien seitens des Angeklagten. Der jedenfalls wurde wegen Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 1400 Euro und einem Führerscheinentzug von drei Monaten verurteilt.

 

Damals musste sie in der Merklinger Straße in Weil der Stadt anhalten, weil der Wagen vor ihr abbog. Als sie ein weiteres Auto rauslassen wollte, begann der Angeklagte zu hupen. „Das war so aggressiv, ich war richtig geschockt“, erzählte sie. Weil der 66-Jährige gar nicht mehr aufgehört habe, sei sie anschließend bewusst langsamer gefahren, bevor sie angehalten habe, um sich das Kennzeichen zu notieren.

Schläge durchs heruntergekurbelte Fenster

Dann lief dieser zu ihrem Wagen vor und schlug ihr durch das heruntergekurbelte Fenster unvermittelt mit der Faust ins Gesicht. „Ich konnte es nicht fassen“, sagte die Frau völlig aufgelöst. „Ich habe so gezittert, dass ich nicht einmal mehr das Kennzeichen ins Handy tippen konnte.“ Dann habe sie dieses fotografiert. Den Vorfall konnte auch ein anderer Autofahrer bestätigen. „Er lief wutentbrannt zu ihrem Wagen und holte aus“, sagt der Zeuge. „Das war eine Links-Rechts-Kombination.“

Nicht zuletzt deswegen war es für die Amtsrichterin Jasmin Steinhart eine klare Sache. „So wie ich die Geschädigte hier erlebt habe, bezweifle ich ganz stark, dass sie in der Lage ist, kriminelle Energie zu entwickeln, um Ihnen eine Straftat anzuhängen“, befand diese in ihrer Urteilsbegründung. Die Richterin polterte: „Man muss doch seine Gefühle im Griff haben.“ Allerdings zeigte sie auch kein Verständnis für die langsame Fahrweise der Frau. Der angeklagte Geschäftsmann hatte den Vorwurf bis zum Ende der Verhandlung bestritten. „Ich habe noch nie eine Frau geschlagen!“ Die Frau habe ihn mehrmals ausgebremst, nachdem sie wieder losgefahren sei. Später sei er ausgestiegen, um sich zu vergewissern, ob alles in Ordnung sei. „Dann hat sie mich weggeschubst“, berichtete der Mann, der einen aufblitzenden Gegenstand in ihrer Hand gesehen haben wollte. „Vielleicht habe ich sie versehentlich im Gesicht erwischt, als ich aus Selbstschutz die Arme hochgerissen hatte“, meinte der Angeklagte.

Dass er selbst dabei verletzt wurde, glaubte ihm das Gericht beim Blick auf die vorgelegten Fotos nicht. „Die Verletzungen sehen doch nicht frisch aus“, meinte die Richterin. Sein Schwiegersohn, damals Beifahrer, sprach davon, dass beide wild mit den Armen herumgefuchtelt hätten. Dass der Weiler die Frau geschlagen habe, habe er nicht gesehen, meinte der 36-Jährige.

Verteidiger plädiert auf Freispruch

Der Verteidiger nahm dem Zeugen nicht ab, dass er die Schläge aus einer Entfernung von 50 Metern gesehen hatte und plädierte auf Freispruch. Über die 37-Jährige sagte er: „Die Frau ist psychisch labil, anders kann ich mir ihre Schock-Reaktion auf das alltägliche Hupen nicht erklären.“ Da stelle sich viel eher die Frage, ob sie nicht eine Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer darstelle. Der Staatsanwalt forderte eine Geldstrafe von 1800 Euro und dazu eine dreimonatige Führerscheinsperre.

Als der Polizeibeamte, der damals auch die Autofahrerin vernommen hatte, drei Tage nach dem Vorfall bei dem Weiler vorstellig wurde, um dessen Führerschein vorläufig einzuziehen, kam es beinahe zu einer weiteren Eskalation. „Der Mann wollte gar nicht mit sich reden lassen und reagierte völlig kopflos“, sagte der Beamte, „das machte das Gesamtbild stimmig.“

Dass der Angeklagte bisweilen ein „schwäbischer Grantler“, aber im Innern ein herzensguter Mann sei, wie sein Anwalt ihn beschrieb, sah die Richterin überhaupt nicht so: „Sie sind kein schwäbischer Grantler, sondern ein jähzorniger Mensch.“