Der Altkreis ist nach wie vor christlich geprägt. Doch die evangelische Kirche verliert Mitglieder.

Leonberg - In knapp zwei Wochen ist Ostern, das zentrale christliche Fest der Auferweckung Jesu von den Toten. Es gibt zwei gesetzliche Feiertage, auch die Schulferien sind danach benannt. Die Menschen haben frei, doch das bedeutet nicht zwangsläufig, dass sie sich mit dem Sinn des Osterfestes identifizieren. In der Bundesrepublik gilt Religionsfreiheit. Jeder kann sein Glaubensbekenntnis frei wählen oder den Religionsgemeinschaften ganz fern bleiben.

 

Es ist kein großes Geheimnis, dass die beiden Großkirchen in Deutschland seit längerem unter einem Mitgliederschwund leiden. Ein wenig vergleichbar mit anderen Großinstitutionen wie Parteien oder Gewerkschaften, finden auch sie kein Rezept, ihre Mitglieder längerfristig zu binden.

Austritte bei unter einem Prozent

„In unseren Gemeinden wirkt sich vor allem der demografischen Wandel aus“, erklärt Wolfgang Vögele, der Dekan des evangelischen Kirchenbezirks Leonberg. Aber auch andauernde Kirchenaustritte, die bei der evangelischen Landeskirche Württemberg im Schnitt zwar unter einem Prozent liegen, tragen zum Mitgliederschwund bei.

Zugänglich für die Öffentlichkeit sind diese Zahlen, weil die Kirchen für den Kirchensteuereinzug von ihren Mitgliedern den Staat beauftragt haben und dafür an die Behörden Geld bezahlen. Jeder Neubürger muss bei seiner Anmeldung im Bürgerbüro seine Konfession nennen.

Zwischen 1970 und 2016 liegt fast ein halbes Jahrhundert. Aber lokale Vergleichszahlen aus der jüngeren Vergangenheit sind spärlich. Bereits digital erfasste Daten vor zehn oder 20 Jahren konnten die Einwohnermeldeämter wegen der veralteten Dateisysteme nicht zeitnah aus der Versenkung heben (mit Ausnahme von Weil der Stadt). Allein die Heimatbuchreihe „Heimat und Arbeit“, die nach der Verwaltungsreform 1970 entstanden ist und sämtliches statistisches Zahlenwerk zum Nachschlagen bietet, konnte Daten liefern. Die Tabelle zeigt, dass überall die Zahl der sogenannten Konfessionslosen stark gestiegen ist. Überraschenderweise sind die Mitgliederzahlen der evangelischen Kirche in den eher ländlicheren Kommunen tendenziell konstant geblieben, während diese Kommunen alle wuchsen.

Zuzug von katholisch geprägten Südeuropäern

Bei der katholischen Kirche gibt es sogar geringe Zuwächse, auch in Leonberg, was wohl mit dem Zuzug von katholisch geprägten Südeuropäern erklärt werden kann. Die Evangelischen in Leonberg haben sich dagegen prozentual zur Gesamtbevölkerung mehr als halbiert. Die Stadtbevölkerung wuchs und gleichzeitig schwanden die evangelischen Kirchenmitglieder.

Doch wer sind eigentlich die Konfessionslosen? Manch ausländischer Mitbürger runzelt bei der Frage nach der Konfession im Bürgerbüro die Stirn. „Ich habe schon gehört, dass einige Bekannte da ihre Konfektionsgröße eingetragen haben“, erzählt Kiriakos Papakiriakou, der Vorsitzende der griechischen Gemeinde in Leonberg.

Wer weder evangelisch noch katholisch ist, der ist laut dieser Statistik konfessionslos oder in einer anderen Religionsgemeinschaft, die eben keine Kirchensteuer über die staatliche Verwaltung einzieht. Die Gruppe der Konfessionslosen ist also eigentlich gar keine.

Hier wird zusammengezählt, wer in einer griechisch-orthodoxen Kirche getauft oder als muslimischer Junge beschnitten wurde, wer seine Jugendweihe in der DDR feierte, wer aus Protest oder welchem Grund auch immer aus einer der großen Kirchen ausgetreten ist. Unter den „Konfessionslosen und anderen“ sind auch Mitglieder von freikirchlichen Gemeinden, von Islamverbänden oder orthodoxen Gemeinden, wie die griechische oder die syrische. Es ist also schwer zu sagen, dass eine steigende Zahl der Konfessionslosen gleichbedeutend mit dem Rückgang von Religion in der Gesellschaft ist.

Die Gesellschaft wird bunter

Durch die steigende Zahl der Konfessionslosen wird die Alltagserfahrung bestätigt: Die Gesellschaft in Deutschland – auch im Altkreis Leonberg – wird bunter.