Ich bin gerade dabei, zu erkunden, was chillen heißt“, scherzt Hartmut Fritz. Am heutigen Freitag feiert der ehemalige Leonberger evangelische Dekan und Chef des Samariterstiftes seinen 70. Geburtstag.

Leonberg - „Ich bin gerade dabei, zu erkunden, was chillen heißt“, scherzt Hartmut Fritz. Doch er meint es auch ernst. Sein Rezept: entspannt tätig sein, die Aufgeregtheit des Tages gelassener nehmen können, unabhängiger werden von den Bildschirmen an der Wand und auf dem Schreibtisch, innerlich und äußerlich in Bewegung bleiben, aus der Distanz, aber mit Wohlwollen und kritischer Sympathie mitverfolgen und miterleben, was in Gesellschaft und Kirche, was in der Stadt und der Kirchengemeinde geschieht. Am heutigen Freitag feiert der ehemalige Leonberger evangelische Dekan seinen 70. Geburtstag.

 

Das zweitälteste von fünf im Oberjesinger Pfarrhaus geborenen Geschwistern hätte eigentlich am 28. Mai Geburtstag gehabt. Doch es war in vielen Hinsichten eine neue Zeitrechnung angebrochen. Seit drei Wochen war der Krieg zu Ende und mit den Amerikanern kam die Sommerzeit – das Mitternachtskind kam so am Folgetag zur Welt. „Meine 70 Jahre sehe ich auch als 70 Jahre erlebten Frieden und Wohlstand, denn die vielen gegenwärtigen Flüchtlingsdramen lehren uns, was Heimat und ein Zuhause bedeuten“, sagt Hartmut Fritz.

Nach dem Umzug der Familie nach Tübingen wollte der Jugendliche „sich selbst ausprobieren und die Freiheit vom Elternhaus genießen“. Und so schrieb er sich im Evangelisch-theologischen Seminar ein. Auf zwei Jahre Schöntal folgten zwei Jahre Urach mit dem Abitur. „Aus reiner Neugier und Interesse an philosophischen Fragen habe ich mich am Evangelischen Stift für das Theologie-Studium eingeschrieben. Kirche und Gemeinde kamen erst später dazu, als das Bewusstsein reifte, dass das mein Beruf und meine Berufungs sein wird“, sagt der Jubilar im Rückblick.

Die klassische Laufbahn brachte Hartmut Fritz in seiner unständigen Zeit auch nach Renningen. „Da habe ich einen jungen, dynamischen Bürgermeister kennen- und schätzen gelernt, der ein Tag älter war als ich – Bernhard Maier.“ Nach Pfarrämtern in Reutlingen und Tübingen hat sich Hartmut Fritz 1994 um das Amt des Leonberger Dekans beworben. Die Gegend habe er gekannt und von der Größe her sei der Bezirk herausfordernd gewesen. „Alle Frömmigkeitsstile der Landeskirche waren und sind noch da – die Aufgabe zusammenzuführen, zusammenzuhalten und den Bezirk zu gestalten, hat mich gereizt“, so der ehemalige Dekan.

Als Jung-Dekan promovierte Fritz mit einer zeitgeschichtlichen Arbeit über Otto Dibelius, den ersten Nachkriegs-Bischof von Berlin: Von der Staatskirche zum „Jahrhundert der Kirche“. In seinem Amt seien ihm zwei Schwerpunkte wichtig gewesen, sagt Hartmut Fritz: die Ökumene („die tolle Zeit mit dem heutigen Böblinger katholischen Dekan Karl Kaufmann“) und die Diakonie. In dieser Zeit entstanden der Tafel- und der Kontakt-Laden. 2004 stellte sich Hartmut Fritz einer neuen Herausforderung. Er nennt es den Wechsel von der Kanzel des Wortes zur Kanzel der Tat. „Nachdem ich die Diakonie von Gemeinde und Bezirk sowie als Mitglied im Präsidium des Diakonischen Werkes Württemberg kennengelernt habe, kam jetzt die Erfahrung in der Leitung einer diakonischen Einrichtung, der Samariterstiftung, hinzu.“

Acht Jahre lang war Hartmut Fritz hier Vorstandsvorsitzender. Seine Erkenntnis aus dieser Zeit: „Die Lebenskunst ist es, wenn man auch in den Grenzsituationen und in den Schmal-Seiten und Schmal-Zeiten menschlicher Existenz Quellen des Glücks, der Kraft und Zufriedenheit eines Lebens findet.“

Ihren Lebensmittelepunkt haben Hartmut und Heidi Fritz – die in Leonberg vielfach ehrenamtlich engagierte studierte Sozialpädagogin hat er 1974 geheiratet – ganz bewusst nach Leonberg gelegt. „Warum wir uns für Leonberg entschieden haben, ist ganz einfach: Das kann man ruhig als Liebeserklärung an eine Stadt verstehen mit ihrem ausgeprägten Sinn für Kultur und Bürgerengagement!“ Drei der vier Kinder wohnen auch hier und vier Enkeltöchter sind der Sonneschein des Großvaters.

Der engagiert sich übrigens im theologischen Gesprächskreis, im Hospiz, im Eine-Welt-Laden, in der von ihm gegründeten Stiftung Zeit für Menschen, im Lions-Club. Er sitzt dem Verwaltungsrat der Herrenberger Schwestern vor und arbeitet beim Krisentelefon des Landkreises mit, einem Angebot für pflegende Angehörige. Und für das Zusammenspiel mit dem Kammermusikkreis der Kirchengemeinde hat Hartmut Fritz wieder sein Cello ausgepackt.