Helmut Lachenmann sorgt für außergewöhnliche Klang-Ereignisse.

Leonberg - Mir fehlen keine Millionen, mir fehlt kein Pfennig zum Glück“ komponierte einst Peter Kreuder. Der Jugendmusikschule Leonberg fehlen auch keine Millionen, aber rund 50 Tasten (pro Taste 199 Euro) zu ihrem Flügel-Glück. Damit die irgendwie zusammenkommen, hat Helmut Lachenmann, Schüler von Luigi Nono und Spiritus rector der zeitgenössischen „Neuen Musik“, im Spitalhof ein Benefizkonzert gegeben.

 

Einige der vorgetragenen Stücke stammen von Lachenmann selbst – so wie „Ein Kinderspiel“. Es sind irritierende Klang-Bilder, Geräusch-Fetzen, einzelne rhythmisierte Töne. Helmut Lachenmann kommentiert die Werke des Abends und erläutert seinen Musikbegriff. Der Titel seines Gesprächskonzerts „Stimme und Klavier-Stimme im Klavier, Musik als Resonanzraum“ öffnet dem Publikum die Perspektive: Die Zuhörer sollen unvoreingenommen beobachten, hellhörig werden, wahrnehmen, was an akustischen Ereignissen und Verfremdungen auf sie einwirkt.

Die Körperlichkeit des Klangs

Er gibt zu bedenken: „Ein Komponist hat nichts zu sagen, er hat etwas zu schaffen.“ Er will die „Körperlichkeit des Klangs“, das „Material“ selbst in den Vordergrund rücken: eine akustische „Landschaft, fremdartig wie der Nordpol“, irritierend, aber Anlass für Entdeckungen – auch die Entdeckung des eigenen Ich.

In „Got lost“ (Lachenmann) für Sopran und Klavier wird ein Text von Nietzsche auf seine phonetischen Eigenschaften geprüft. Yuko Kakuta entwickelt aus der Singstimme ein Instrument mit eigener Aura. Da wird gehaucht, gehechelt, gepustet und gezischt; man hört Gluckern und Schreien, Pfeiftöne wechseln mit gesungenen Tönen, die Sopranistin singt in den Resonanzraum des Flügels: Kehllaute, Schnapplaute, Klopfen gegen die hohle Wange, die Saiten des Flügels beginnen zu vibrieren, und auch die Pianistin Yukiko Sugawara greift beherzt in die Eingeweide des Flügels. Eine dadaistische Klangspaltung: Flügel und Sopran erschaffen ein neues Instrument.

Gesungener Ton und Saiten kommunizieren

Auch „Schwellen“ von Lachenmanns Schüler Jan Kopp fordert dem Hörer einiges ab: Die Sopranistin singt nicht nur in den Resonanzraum des Flügels, sie reißt die Saiten mit einem Plektrum an: Gesungener Ton und Saiten kommunizieren, die Sängerin wird selbst Teil des Instruments. Es entstehen Metamorphosen von Klängen, Geräuschen, akustischen Erfahrungen – und das Publikum sinniert: Wann und wie wird ein Geräusch eigentlich zu Musik?

Auf die Frage, ob man seine Musik als „experimentell“ bezeichnen könne, grinst Jan Kopp verschmitzt und erklärt: „Es ist spanische Musik – weil sie einem spanisch vorkommt!“