Wolfgang Rückert kaufte 1973 als Erster Bürgermeister das ehemalige Landratsamt als neues Rathaus der Stadt.

Leonberg - „Ein bisschen weh tut mir das schon“, sagt Wolfgang Rückert. Nur noch ein Gerippe ist vom einstigen Neuen Rathaus der Stadt Leonberg übrig. Der lange Arm des Baggers hat sich durch die Etagen gewühlt, allein das Treppenhaus und einige wenige Büros sind noch übrig. Aber nicht mehr lang. Dann ist das ehemalige Landratsamt des Kreises Leonberg endgültig Geschichte.

 

Den früheren Ersten Bürgermeister der Stadt und späteren Finanzstaatssekretär verbindet dabei eine ganz besondere Geschichte mit dem Gebäude. „Dieses Haus ist die Wurzel meines Berufslebens“, sagt Wolfgang Rückert. 1964 habe er seine Staatsprüfung im gehobenen Verwaltungsdienst abgelegt und schon im Jahr darauf im Landratsamt Leonberg begonnen, wo er fünf Jahre blieb. Unter anderem arbeitete er dort mit Eberhard Heckeler (späterer Bürgermeister in Gebersheim) oder Bernhard Maier (später Bürgermeister in Renningen und Böblinger Landrat).

Der Landkreis Leonberg wird 1973 aufgelöst

Nach einem dreijährigen Intermezzo als Stadtkämmerer in Spaichingen unter dem dortigen Bürgermeister Erwin Teufel kehrte er 1972 zurück nach Leonberg: als Erster Bürgermeister unter dem damals 33 Jahre alten OB Dieter Ortlieb. Rückert, gerade 30 geworden, musste seinen Dienst im Alten Rathaus am Marktplatz antreten. „Das Johannes-Kepler-Gymnasium war gerade eingeweiht worden und das erste größere Projekt, das anstand, war der Bau des Sportzentrums mit Hallenbad“, erinnert sich Rückert. Dann wurde der Kreis Leonberg zum 1. Januar 1973 aufgelöst. „Ich wurde damit beauftragt, mit dem Kreis Böblingen über den Kauf des ehemaligen Landratsamtes zu verhandeln“, erzählt Wolfgang Rückert.

Zu Gute kam ihm dabei, dass sein Gegenpart, der Kreispfleger im Landratsamt Böblingen, die gleiche Position bereits im Altkreis Leonberg innegehabt hatte. Auf sechs Millionen Mark belief sich schließlich der Kaufpreis – „ein recht günstiger Preis“, befindet der damalige Erste Bürgermeister, denn das gesamte Gelände gehörte ebenfalls dazu. Rückert war auch der erste, der mit seiner Abteilung 1974 dort einzog. 18 Jahre lang befand sich sein Büro im Erdgeschoss, bevor es ihn in den Landtag zog.

25 Jahre Abstand sind eine lange Zeit

25 Jahre ist das jetzt her. Da war das Rathaus sicher noch besser in Schuss. „Wir hatten einen guten Bausachverständigen, der war immer hinterher, dass alles gut funktionierte und den gesetzlichen Anforderungen entsprach“, meint Rückert.

Dass Mängel bei der Technik und dem Brandschutz letztlich dazu führten, dass die Betriebserlaubnis für das Gebäude nur bis zum Februar 2017 verlängert wurde und der Gemeinderat sich am Ende für einen Neubau statt für eine Komplettsanierung entschied – das möchte Rückert nicht kommentieren. „Da liegt doch eine ganze Generation dazwischen“, sagt er.

Architektur harmoniert mit dem Hallenbad

Das „alte“ Neue Rathaus findet er noch immer stadtgestalterisch nicht schlecht. „Es hat sehr gut korrespondiert mit dem Hallenbad“, meint Rückert, der noch immer in Leonberg wohnt. Aber auch dem Neubau kann er viel abgewinnen. „Der macht schon einen imposanten Eindruck. Und ich kann mir gut vorstellen, dass es sich wirtschaftlicher arbeitet, wenn man alle Mitarbeiter unter einem Dach hat.“

An die Grunderwerbssteuer hat keiner gedacht

Als der Kauf des ehemaligen Landratsamtes 1974 längst in trockenen Tüchern war, sorgte die Transaktion doch noch einmal für Hektik in der Verwaltung: Das Finanzamt wollte 420 000 Euro Grunderwerbsteuer von der Stadt haben. „Als das Gesetz geschrieben wurde, hatte keiner an den Fall gedacht, dass bei der Verwaltungsreform Gebäude von einer öffentlichen Institution auf eine andere übergehen“, erzählt der 74-Jährige. Letztlich regelte das Finanzministerium diese Gesetzeslücke, die Bescheide wurden für nichtig erklärt.

Viel lieber denkt Rückert daran zurück, was in seiner Zeit im „Neuen Rathaus“ alles für Leonberg auf den Weg gebracht wurde: von der Neuen Stadtmitte mit Leo-Center, der Umwandlung des alten Gipswerks in den Stadtpark, der Bau von Stadthalle, Parkkaverne oder Leobad. Dazu gehören aber auch Niederlagen wie die missglückte Ansiedlung von IBM in der Nähe des heutigen Ost-Anschlusses. „In den 20 Jahren in Leonberg haben Dieter Ortlieb und ich viel bewegt.“ Was im Rathaus-Neubau in Zukunft bewegt wird, das wird sich noch zeigen müssen.

Info: Zur Person

Wolfgang Rückert
Er ist 1942 in Berlichingen an der Jagst geboren. Er ist verheiratet, hat zwei Kinder und fünf Enkel. Rückert trat erst spät in seiner Karriere in die CDU ein. 2005 erhielt er das Bundesverdienstkreuz.

Werdegang
1965 bis 1970 Landratsamt Leonberg. 1970 bis 72 Stadtkämmerer Spaichingen. 1972 bis 1992 Erster Bürgermeister Leonberg. Von 1984 an im Böblinger Kreistag, ab 86 auch als Fraktionsvorsitzender. 1992 bis 2006 Mitglied des Landtages. 1995 und 96 Vorsitzender des Verbands Region Stuttgart. 1996 bis 2004 Finanzstaatssekretär. Seit dem Ruhestand 2006 engagiert er sich in der Vereinigung ehemaliger Mitglieder des baden-württembergischen Landtags, deren Vorsitzender er ist.