Die Stadt muss mehr Menschen unterbringen. Doch die Zahl an geeigneten Grundstücken ist knapp. Oft sind die Flächen bereits für andere Projekte verplant. Zudem stoßen größere Neubauten wie in Niederhofen auf Widerstand bei den Anwohnern.

Leonberg - Stellen Sie sich vor, Sie müssen eine neue Unterkunft bauen für Menschen, die ihre Wohnung oder ihre Heimat verloren haben. Gehen Sie in Gedanken alle Plätze in der Stadt durch: Wo in Leonberg könnten Sie diese Unterkunft für 45 bis 60 Menschen bauen?

 

Bedenken Sie dabei bitte: Das Areal muss groß genug sein, damit die Häuser nicht zu dicht beieinander, aber auch nicht zu nah an den Gebäuden der Umgebung stehen. Es sollte sich am besten schon im Besitz der Stadt befinden, das erleichtert das Prozedere. Oder zumindest sehr schnell und – ganz wichtig – nicht zu teuer zu kaufen sein. Dabei darf es aber anderen städtischen Vorhaben nicht im Wege stehen. Es sollte nicht abgelegen sein, nicht zu nah an der Autobahn, aber auch nicht im Hochwasser- oder Landschaftsschutzgebiet. Kindergärten und Schulen dürfen nicht zu weit weg sein. Zum Lebensmittelmarkt sollte man außerdem zu Fuß gehen können, 15 Minuten Wegstrecke sind noch zumutbar.

Ist in Ihren Gedankenspielen jetzt noch irgendein weißer Fleck auf der Landkarte übrig geblieben? Kein Freizeiträtselspaß, sondern Alltag ist diese Suche für die Mitarbeiter der Stadt Leonberg. Immerhin vermeldet der soziale Dienst derzeit etwa 250 Menschen, für deren Unterkunft die Stadt sorgen muss. Neue Plätze werden dringend benötigt, denn Leonberg bekommt wie andere Kommunen auch immer mehr Flüchtlinge zugewiesen, die gerade eine Aufenthaltserlaubnis oder Duldung bekommen haben.

Das jüngste Projekt: Ein Grundstück hinter dem Spiel- und Bolzplatz Niederhofen, auf dem 2016 zwei Gebäude für bis zu 64 Menschen gebaut werden sollen. Dies hatte bei einer Bürgerinformationsveranstaltung der Stadt für heftige Proteste seitens der Anwohner gesorgt (wir berichteten). Bemängelt worden war die Gefahr von Hochwassern und Staunässe auf dem Gelände an der Glems. Aber auch Ressentiments gegen Ausländer – in der Unterkunft sollen vorwiegend Flüchtlingsfamilien untergebracht werden – waren geäußert worden. „Der Vorschlag für das Grundstück war aus dem Gemeinderat gekommen, wir mussten es erst kaufen“, erklärt der Erste Bürgermeister Ulrich Vonderheid, der die Kaufverhandlungen führte.

Die Suche: „Mitte 2013 gab es eine Projektgruppe mit Mitarbeitern aus dem Planungs- und Sozialamt, die die stadteigenen Grundstücke nach bestimmten Kriterien analysiert hat“, erklärt Stadtplaner Norbert Geissel. Daraus wurde eine Rangliste der verfügbaren Areale erstellt. Platz Nummer eins damals: eine Grünfläche direkt neben der Strohgäuhalle in Höfingen. Dort gibt es bislang keine städtische Unterkunft. Die Neue soll bis November dieses Jahres stehen.

Dezentraler Ansatz: Eine weitere Unterkunft, die derzeit geplant ist, ist die Containersiedlung im Lohlenbachtäle (Aldi-Kreisel), die 24 Mini-Wohnungen für Alleinstehende umfassen soll. Hier hatte es sich aufgrund von Brand-, Lärm- und Hochwasserschutzbestimmungen verzögert, aber auch verteuert. Weil sich in direkter Nachbarschaft weitere Unterkünfte befinden, gilt dieses Gebiet bei den Planern als ausgereizt. Denn zu viele Obdachlose und Flüchtlinge an einem Platz, da sind Konflikte programmiert. Deshalb scheidet für die Stadt auch ein weiterer Standort in der Maybachstraße aus. Das Areal gegenüber von Obi liegt zudem am Hang und ist damit schwer zu bebauen.

Lärm und Schadstoffe: Immer wieder genannt wurde ein mögliches Grundstück in der Bruckenbachstraße. Dabei handelt es sich nicht um ein Gebiet am Leobad, sondern um eines direkt an der Einmündung zur Südrandstraße. Dieses scheidet gleich aus mehreren Gründen aus: Das als Parkplatz genutzte Grundstück liegt zu nah an der Autobahn, die Schadstoff-Emissionen lassen Wohnhäuser rechtlich nicht zu. „Außerdem liegen darunter wichtige Gasleitungen und zudem gelten drei alte Bäume als Naturdenkmäler“, erklärt Vonderheid. „Das sind viele technokratische Vorgaben, die sich schon sehr vom humanitären Problem entfernen“, meint der Erste Bürgermeister.

Nutzungskonflikte: Ein Stück vom Sportgelände des TSV Eltingen wegzunehmen, das Thema sei laut Ulrich Vonderheid spätestens nach der gescheiterten Fusion mit der TSG Leonberg vom Tisch. Über andere Areale wie etwa den Festplatz Steinstraße oder das Reiterstadion sei gesprochen worden. Diese wären aber politisch nicht durchsetzbar und würden anderweitig gebraucht, etwa für den Pferdemarkt oder die Leomess. „Wir hätten natürlich auch Menschen im Postgebäude unterbringen können. Aber wir dürfen uns nicht alle anderen städtebaulichen Vorhaben verbauen“, darauf weist der Stadtplaner Geissel hin. Über dieses Gebiet soll der Brückenschlag zwischen Altstadt und neuer Stadtmitte erfolgen. Dafür muss auch eine bestehende Unterkunft mit 24 Plätzen, die sich dort befindet, in naher Zukunft weichen. „Wir haben die für den Brückenschlag nötigen Immobilien erworben. Diese sind derzeit aber schon voll mit diesem Personenkreis belegt“, meint der Erste Bürgermeister Vonderheid. Man müsse „das eine tun, ohne das andere zu lassen“. Verfügbarkeit: Dieser Satz lässt sich etwa auch auf den Elly-Heuss-Knapp-Kindergarten anwenden. Dessen Neubau entsteht gerade auf dem Samariterstift-Gelände. Nach dem Umzug soll auf dem bisherigen Areal ein Mehrgenerationen-Wohnkomplex entstehen. Nicht alles, was verfügbar scheint, gehört auch der Stadt. Etwa das ehemalige Leobau-Gelände, auf dem die Firma Layher Mehrfamilienhäuser errichten will. Oder das frühere Arbeitsamt. „Wir haben schon mehrfach Angebote abgegeben, aber die geforderten Preise sind jenseits unserer Vorstellungen“, sagt Vonderheid. Zudem ist das Haus mit gesundheitsgefährdenden Substanzen belastet.

Wohnungen gesucht: Zum dezentralen Ansatz gehört es auch, dass die Stadt weiter nach geeigneten Immobilien sucht. So hat sie erst im vergangenen Jahr zwei Gebäude nahe dem Leo-Center sowie im Ramtel gekauft. Zudem bietet die Verwaltung an, Wohnungen von privat anzumieten und dann an Flüchtlinge oder Obdachlose zu vermitteln. Der Vermieter habe dadurch einen verlässlichen Partner. So hat die Stadt drei Wohnungen beim Samariterstift angemietet. Eines ist dem Ersten Bürgermeister noch wichtig: „Die Zahl der Flüchtlinge ist längst nicht so dramatisch wie Mitte der 90er Jahre während des Balkankrieges.“ Was dramatisch sei im Vergleich zu damals, seien jedoch die Auflagen für die Unterkünfte.