Mitte 2016 soll das integrative Wohnprojekt der Hoffnungsträger-Stiftung im Haldengebiet bezugsfertig sein. Dort werden Einheimische und Flüchtlinge unter einem Dach leben. Letztere packen bereits beim Umbau mit an.

Leonberg - Wenn Sammi sich seine Schutzbrille aufsetzt und zum Bohrhammer greift, dann heißt es: Ohren zuhalten! Mit dem Arbeitsgerät reißt der 22-Jährige eine Wand nach der anderen heraus und sorgt dabei für ohrenbetäubenden Lärm. Später entfernt er unter Anleitung eines erfahrenen Handwerkers gemeinsam mit seinem Kollegen Shafi die Heizungen, und auch der Sanitäranlagen nehmen sich die beiden an. Der komplette Rückbau in dem dreistöckigen Haus geht auf die Kappe der jungen Männer, die vor den Kriegswirren in ihrer afghanischen Heimat geflohen sind.

 

Dass die beiden Flüchtlinge beim Umbau der drei Häuser in der Heinrich-Längerer-Straße mit anpacken, ist kein Zufall. Die vor zwei Jahren in Leonberg gegründete Hoffnungsträger-Stiftung, die sich bislang unter anderem im Täter-Opfer-Ausgleich engagierte, ist in die Flüchtlingsarbeit eingestiegen und baut im Haldengebiet ein integratives Wohnprojekt, das in dieser Form in Deutschland einmalig ist und von dem sich vielleicht selbst Til Schweiger eine Scheibe abschneiden dürfte. „Dazu gehört auch, dass Flüchtlinge bereits in der Bauphase mit eingebunden sind“, erklärt Projektleiter Rudi Yacoub.

So kann Integration gelingen

Das Besondere: in einem der Häuser, das Platz für etwa 30 Menschen bietet, sollen künftig Einheimische und Flüchtlinge zusammenleben. „Die eine Hälfte der Ein- bis Fünfzimmerwohnungen ist für Familien oder Studenten gedacht, die eine Wohngemeinschaft gründen möchten“, erklärt Yacoub. „Die restlichen Wohnungen werden von Flüchtlingen bewohnt.“ Wer einziehen will, muss bestimmte Anforderungen erfüllen. „Ganz wichtig ist die Bereitschaft, sich auf solch eine Wohnsituation einzulassen“, betont der Projektleiter. Dazu trifft der Landkreis eine Vorauswahl, Gewissheit soll schließlich ein Bewerbungsgespräch bringen.

Mit dem Wohnprojekt, dessen Fertigstellung für Mitte 2016 geplant ist, verspricht sich die Stiftung eine bessere Integration der Neuankömmlinge. „Durch den ständigen Kontakt wird es für die Flüchtlinge leichter, sich in ihrer neuen Umgebung zurechtzufinden“, sagt Yacoub, der von einem „ganzheitlichen Aspekt der Integration“ spricht. „Wenn ein Mensch von Anfang an angenommen wird, dann profitiert nicht nur er davon, sondern am Ende auch die Gesellschaft.“ Den Bewohnern steht übrigens ein Pädagoge zur Seite.

Sprache ist das A und O

Um das Miteinander im Haus zu fördern, sind auch gemeinsame Aktivitäten geplant, wie verschiedene Kurse, ein Spieleabend oder ein Café. „Was es am Ende für Angebote geben wird, hängt aber von den Interessen und Stärken der Bewohner ab“, sagt Yacoub. Ein wichtiger Aspekt ist die Weiterbildung. So sollen Sprachkurse und Qualifizierungsprojekte den Flüchtlingen den Einstieg in ihr neues Leben erleichtern. Dazu arbeitet die Stiftung mit der Stadt und vielen Partnern zusammen.

Einer der Partner ist die sozial engagierte Baufirma „BauDesign-Rems“ aus Remshalden, bei der die beiden jungen Afghanen als Bauhelfer beschäftigt sind. „Eine der Hürden der Integration ist die Arbeit“, so Geschäftsführer Wolf Kunze. „Wir wollen den Flüchtlingen ein Sprungbrett bieten, damit sie zeitnah in den Arbeitsmarkt kommen.“ Zwar hätten die beiden kein entsprechendes Vorwissen, „aber man merkt richtig, dass sie wollen“, so Kunze, der von Sammi derart angetan war, dass dieser eine Ausbildung zum Dachdecker beginnen darf. Seine Mitarbeiter steuern aber nicht nur fachlichen Rat bei, sondern leisten auch sprachliche Hilfe. „Wir haben unser Personal geschult, damit sie während der Arbeit die Deutschkenntnisse der Flüchtlinge verbessern“, erklärt er.

Alle haben Hoffnung

Wenn es nach Rudi Yacoub geht, sollen die Migranten so früh wie möglich ins Haldengebiet kommen. „Wir bieten uns für die Anschlussunterbringung, die vorläufige Unterbringung oder eben für den Fall an, dass die Flüchtlinge anerkannt sind.“ Zwischen Kriegsflüchtlingen und Wirtschaftsflüchtlingen wird nicht unterschieden.

Blickt Sammi auf seine Anfangszeit in Deutschland zurück, dann kann er die künftigen Bewohner nur beneiden. Der 22-Jährige, der in Stuttgart wohnt und dem ein befristeter Aufenthalt gewährt wird, berichtet von einem kleinen Zimmer im Asylantenheim, das er sich mit vier weiteren Flüchtlingen teilen musste. „Der eine hat nachts geraucht, der andere betrunken randaliert“, erzählt der Mann, der auch keinen Deutschkurs besuchen durfte. Dass ihm ein Leben mit Einheimischen dabei geholfen hätte, schneller einen Anschluss zu finden, dessen ist er sich sicher.