Die Karl-Georg-Haldenwang-Schule hat 20 Jahre Erfahrung mit Kooperationsklassen.

Leonberg - Voll konzentriert sitzen die 23 Schüler der Klasse 3c der Theodor-Heuss-Schule über ihren Aufgaben. An sich nichts Außergewöhnliches. Das Einzige, was auf den ersten Blick auffällt: drei Lehrerinnen sind im Raum. Dass es eine besondere Bewandtnis mit der Klasse hat, wird erst deutlich, als ein Blondschopf aufspringt und einen Besucher liebevoll mit, „das ist mein Herr Halter“ begrüßt.

 

Berthold Halter ist der Rektor der Karl-Georg-Haldenwang-Schule in Leonberg, einer Schule für individuelle Förderung, vorwiegend für Kinder mit einer geistigen Behinderung. Die 3c in der alten Schule in der Rutesheimer Hindenburgstraße ist eine sogenannte Außenklasse mit sechs Schülern der Haldenwangschule.

„Wir sagen Kooperationsklasse, denn etwas Anderes wird dem gemeinsamen Unterricht mit einer Partnerklasse an einer Grund-, Werkreal- oder Berufsschulkasse nicht gerecht“, sagt Halter. Das Grundprinzip des gemeinsamen schulischen Weges laute: Es soll so viel wie möglich gemeinsamer, nur wenn nötig getrennter Unterricht stattfinden. Partner der insgesamt neun Kooperationsklassen sind außer der Rutesheimer Theodor-Heuss-Schule, die Theodor-Heuglin-Schule in Hirschlanden, die Friedrich-Schiller-Schule in Renningen, in Leonberg die Sophie-Scholl-Schule und die August-Lämmle-Schule sowie das Berufsschulzentrum. Etwa ein Drittel der insgesamt 153 Haldenwangschüler nehmen an diesem Unterrichtsmodell teil.

Gelebte Inklusion – und das seit 20 Jahren

Begonnen hat alles 1995 mit einer ersten Klasse an der Heuglin-Schule in Hirschlanden, die sich auf einen Beitrag in der Leonberger Kreiszeitung hin bereit erklärt hatte, die Herausforderung anzunehmen. „Es gab seit 1981 im Kindergarten die Frühförderung“, sagt Halter im Rückblick. „Und die Kooperationsklasse war die Antwort auf die Frage: wie bieten wir außer an unserer Schule den Schüler mit ihren unterschiedlichen Lernvoraussetzungen eine lebensweltorientierte Bildung, die sich im Alltag bewährt und ihre Stärken stärkt?“

Aus der Not heraus wurden 1994 die Erstklässler der ersten Kooperationsklasse noch in der Haldenwang-Schule eingeschult. Das ist heute die Regel. „Dieses Grundbildungsjahr ist für unsere Schüler sehr wichtig“, sagt Eva Scheu, die stellvertretende Schuleiterin. „Sie lernen zu lernen, sie lernen sich kennen und unsere Partner lernen uns und wir sie kennen. So ist man bei der Herausforderung des Unterrichts nicht auch noch mit dem Kennenlernen beschäftigt.“ Das sei wichtig, sagt Karin Putze. Sie sei zwar die Klassenlehrerin der Haldenwangschüler, während bei den Regelschülern Monika Cichos dieses Amt innehabe, doch „meine Lehrerin“ gebe es nicht. „Wir sind eine Klasse und wir Lehrerinnen sind ein Team, das für alle, ob Regelschüler oder Haldenwangschüler, zuständig ist“, sagt Putze. Mit dabei im Team ist auch noch die Sonderschulpädagogin Simone Weber, denn in der Kooperationsklasse müssen immer zwei Lehrkräfte anwesend sein.

„Wir arbeiten am gleichen Stoff, doch mit unterschiedlichen Zielen. Die Herausforderung für das Team ist es, die Inhalte ganz individuell auf die unterschiedlichen Lernvoraussetzungen jedes Schülers herunterzubrechen“, erläutert Karin Putze.

Kinder wissen, wie Inklusion funktioniert

„Das hilft auf der einen Seite sogar, die schwächeren Grundschüler abzufangen, und beantwortet auch die Frage, ob unsere Schüler so etwas wie Bremser für die Regelschüler sind, was anfangs oft befürchtet wird“, sagt Eva Scheu. „Am Ende müssen sie nicht das Gleiche wissen, sie werden ganz individuell gefördert.“ Außer in Mathe und Deutsch nehmen alle am gleichen Unterricht teil – für die Haldenwangschüler gibt es aber auch noch einen sogenannten Differenzierungsraum, in den sie sich bei Bedarf zurückziehen können.

„Den Regelschülern muss man Inklusion nicht erklären, sie leben sie mit einer großen Selbstverständlichkeit“, sagt Friederike Bailer, die Rektorin der Theodor-Heuss-Schule, aus Erfahrung. Die 3c ist hier nämlich die zweite Kooperationsklasse, die andere ist die Klasse 9 der Werkrealschule. Die Schüler bekämen so viel soziale Kompetenz, wie ihnen sonst nie vermittelt werden könnte. „Sie holen ihre Mitschüler dort ab, wo deren Stärken sind und geben ihnen die Rolle, die mit ihren Fähigkeiten abgestimmt ist, sie binden sie ein und bringen ihnen große Wertschätzung entgegen“, sagt die Rektorin. „Eine Kooperationsklasse isrt für alle ein großer Gewinn.“