Der „Mittagstisch für alle“ offenbart, dass wirtschaftliche Not und Vereinsamung ein großes Problem sind. In der Leonberger Pauluskirche hat es seit dem 8. Januar jeden Mittwoch ein warmes Essen gegeben.

Leonberg - Seit Mittwoch vergangener Woche sind Sie der einzige Mensch, mit dem ich ein Wort gewechselt habe.“ Dieser beklemmende Satz einer Seniorin lässt den Leonberger katholischen Pastoralreferenten Jürgen Oettel seit Tagen nicht mehr los. „Mit wem wird sie wohl bis zu unserem nächsten Mittagstisch für alle in Januar kommenden Jahres reden?“, fragt er sich angesichts des menschlichen Dramas, das hinter diesem Satz steckt.

 

„Das zeigt, dass wir richtig lagen, als wir vor fünf Jahren den Mittagstisch für alle ins Leben gerufen und als Gemeinde unsere Türen geöffnet haben“, sagt der evangelisch-methodistische Pastor Thomas Schmückle, einer der Initiatoren. In den Räumen seiner Kirche in der Leonberger Paulusstraße findet seit dem 8. Januar, immer mittwochs, der Mittagstisch für alle statt. Gestern traf man sich zum letzten Mal in diesem Jahr.

Bewusst auf den Zusatz „für Bedürftige“ verzichtet

Bewusst hat die Gruppe, die sich als Verein zusammengeschlossen hat, ihr Angebot nicht mit dem Zusatz „für Arme“ versehen. Zum einen sollte niemandem ein Stempel aufgedrückt werden. Zum anderen seien auch jene willkommen, die im übertragenen Sinne bedürftig sind, etwa weil sie einsam sind und die Gemeinschaft suchen. Auch sonst darf sich jeder an den Mittagstisch setzen, denn der soll Menschen zusammenbringen. Es geht also nicht allein ums Sattwerden, sondern auch um die Möglichkeit zum Gespräch. Bei Bedarf gibt es außerdem Hilfe bei Anträgen oder Begleitung bei Behördengängen.

Allerdings geht es in vielen Fällen auch ums Sattwerden. „Von den rund 120 Essen, die gegenwärtig serviert werden, waren mehr als die Hälfte für Menschen, die sich nur 1,50 Euro für die Mahlzeit leisten konnten oder die Gutscheine für eine kostenlose Mahlzeit von unseren Kirchengemeinden haben“, sagt Pastoralreferent Oettel. Wer es sich leisten kann, zahlt 4,50 für das leckere Mittagessen, das die Küche des Pflegeheims Güldenhof aus Schöckingen liefert und von rund 30 ehrenamtlichen Helfern aus den beiden Kirchengemeinde serviert wird. Hinzu kommen noch Kuchenspenden, die im Anschluss mit einem Kaffee serviert werden.

Auch junge Leute engagieren sich mittlerweile

Doch es sind nicht nur bedürftige oder einsame Senioren, auch bedürftige junge Menschen kommen zum Mittagstisch. Aber auch bei denen, die sich engagieren, sind inzwischen viele Jugendliche, wie etwa die Warmbronner Konfirmanden, oder die vier JKG-Gymnasiastinnen, die in ihrem Seminar-Kurs einen Film über die Macher und die Besucher des Mittagstisches für alle vorbereiten.

Mit den 120 Essen sind die Helfer und die Räumlichkeiten an ihre Grenzen gestoßen. „Zum Glück gibt es nach Ostern eine neue Küche für 35 000 Euro“, sagt Pastor Schmückle. Die ist durch Spenden und über Aktion „Hilfe für den Nachbarn“ der Stuttgarter Zeitung gesponsert.

Ganz ohne Beistand bleiben die Besucher des Mittagstisches für alle nicht. Jeden dritten Mittwoch im Monat, vom 21. Mai an, gibt es in der Pauluskirche, von 14 Uhr an, anregende Gespräche bei „Kaffee und mehr“. Am Samstag, 10. Mai, von 10 Uhr, trifft man sich in der Gebersheimer Friedenskirche bei „Tee und Trödel“ – der Erlös fließt in soziale Projekte.