Tun sich auf den Autobahnen rund um Leonberg Schlaglöcher auf, dann rückt die Kolonne von Gerhard Schober aus. Das Team der Autobahnmeisterei Ludwigsburg ist hier für den Unterhalt und die Verkehrssicherheit der Fernstraßen zuständig.

Leonberg - Es ist ein mulmiges Gefühl, wenn im Sekundentakt die Vierzigtonner mit 100 Stundenkilometern nur im Abstand von einem halben Meter vorbeidonnern. Doch für Gerhard Schober und sein Team von der Autobahnmeisterei Ludwigsburg gehört das zum Alltag. Ihr Arbeitsplatz sind zwei viel befahrene Autobahnen. Hier sorgen sie Tag für Tag und wenn es sein muss auch nachts dafür, dass alles im Fluss bleibt.

 

Am Dienstagabend hat der Streckenwart, der täglich die von der Autobahnmeistrei betreuten Straßenabschnitte abfährt und kontrolliert, dem Dienststellenleiter gemeldet, dass sich beim Leonberger Westanschluss auf der A 8 in Richtung München ein Schlagloch aufgetan hat. Das hatte für den Straßenwart Gerhard Schober und seine Kolonne zur Folge, dass sie gestern ausrücken mussten, um den Schaden zu beheben. „Wenn die Autos mit hoher Geschwindigkeit ein solches Loch in der Fahrbahn erwischen, kann es zu erheblichen Schäden am Fahrzeug kommen und zu gefährlichen Verkehrssituationen führen. Deshalb muss das schnell behoben werden“, erläutert der 64-jährige Straßenwart.

Doch selbst die kleinste Baustelle auf der Autobahn ist keine alltägliche Baustelle. Sie ist ein Eingriff in ein System, von dem sich seine Nutzer versprechen, dass sie ungehindert und möglichst schnell vorankommen – und zwar auf allen Bahnen. Und deshalb ist es vor allem das unvermindert hohe Tempo der Autos, die für Schober und sein Team so gefährlich ist, denn ein unaufmerksamer Schritt aus dem gesicherten Bereich hinaus hätte für die Mitarbeiter fatale Folgen.

Langsam – die gelben Rundumleuten warnen die nachkommenden Autos – nähert sich die Autokolonne der Straßenwärter dem Schlagloch in der Fahrbahn. Der Lastwagen mit dem Vorwarnanhänger wird immer langsamer und bleibt 600 Meter vor der Baustelle zurück. Er zeigt den Autos, die aus Richtung Pforzheim kommen, dass sich die Fahrbahn nun von drei auf zwei Spuren verengt. Jetzt werden auch die beiden Lastwagen mit den Sicherungswänden langsamer. Einer bleibt 50 Meter vor der Baustelle stehen, ein weiterer seitlich auf der Abfahrt des Westanschlusses. Sie warnen die Autofahrer ein letztes Mal vor der Baustelle – sie sind der einzige Schutz für Schober und seine Einsatz-Kolonne. Schnell und doch äußerst vorsichtig steigt Daniel Schöneck aus einem der orangen Lastwagen der Autobahnmeisterei und stellt eine Reihe rot-weiß-gestreifter Leitkegel auf. Die Plastikhütchen markieren den Bereich, aus dem hinauszutreten für die Straßenwarte mehr als gefährlich wäre.

„Die Baustelle richtig zu sichern, ist oberstes Gebot und kann Leben retten“, sagt Gerhard Schober. In diesen Worten klingt etwas mit, das zum Weiterfragen verleitet. Gern will der Mann aus Möglingen nicht über jenen Tag im Jahr 1975 reden, der sich unauslöschlich in sein Gedächtnis eingebrannt hat. Es war der 6. September, als die Kolonne der Autobahnmeisterei, zu der Schober vor wenigen Monaten gestoßen war – er hatte bereits als Mitarbeiter eine Fremdfirma seit den 60-er Jahren für die Autobahnmeistrei Dienst getan – auf der A 81 bei Freiberg im Einsatz war. Ein VW-Käfer blieb an der mobilen Sicherungswand vor der Baustelle hängen, kam ins Schleudern und rammte den voll besetzten Unimog der Straßenwarte. „Drei Kollegen haben bei diesem tragischen Unfall das Leben verloren“, sagt Gerhard Schober, hält einen Augenblick inne und lässt seinen Blick in die Ferne schweifen.

„Ach ja, das ist die Stelle mit dem Flüsterasphalt“, weiß Gerhard Schober gleich Bescheid, als er und sein Team das Schlagloch begutachten. Seine Truppe war hier schon einmal im Einsatz. Wahrscheinlich sei bei einem Unfall Treibstoff ausgelaufen, der nicht schnell genug gebunden wurde und deshalb Zeit hatte, sich in den groben Poren des sogenannten Flüsterasphalts zu verteilen. Wegen der besonderen Struktur erzeugen die Autoreifen hier weniger Abrollgeräusche. Nun löst das Öl den Bitumen auf und der Fahrbahnbelag bröckelt aus.

Weg mit dem alten Belag

Inzwischen haben Philipp Heckel und Frank Haak die Werkzeuge abgeladen und entfernen den lockeren Belag aus dem etwa einen Meter breiten und zwei Meter langen Schlagloch. Viel reden die sechs aus dem eingespielten Team nicht, jeder weiß genau um seine Aufgaben und jeder Handgriff sitzt. Ein Versuch zu sprechen, wäre auch vergebene Liebesmüh, denn entweder versteht man das Wort des Gegenübers nicht oder er brüllt einen an, weil er in der Lücke zwischen zwei vorbeibrausenden Lastwagen nicht schnell genug den Stimmpegel gesenkt hat. Die Schadstelle in der Autobahn ist etwas mehr als fünf Zentimeter tief. „Das reicht für einen gehörigen Schlag, wenn da ein Auto durchfährt“, sind sich Heckel und Haak einig. Uwe Bürger hat mittlerweile ein Gebläse geschultert und pustet damit jedes Körnchen des zerbröselten Belags weg. Dann rückt Daniel Schöneck mit der Gasflasche und einem Gasbrenner an. „Die Stelle muss gut getrocknet und erwärmt werden, wenn wir das Kaltmischgut auftragen“, erklärt Gerhard Schober, bevor er und Andrea Albrecht die Masse gleichmäßig mit den Schaufeln verteilen.

Die zierliche Frau ist die einzige Straßenwartin der Autobahnmeisterei. Die gelernte Zahnarzthelferin hat vor zehn Jahren den Lkw-Führerschein gemacht und war bis vor anderthalb Jahren Fahrerin beim Tiefbauamt. „Doch dann habe ich mich entschlossen, eine verwaltungseigene Prüfung abzulegen, weil ich zur Autobahnmeisterei wollte, das ist viel interessanter“, findet Andrea Albrecht. Mit der Kehrmaschine die Autobahn reinigen, die Standspur pflegen, die Abwasserschächte reinigen, die Schlaglöcher flicken, die Mäharbeiten im Sommer und der Winterdienst in der kalten Jahreszeit und was sonst noch alles zum Unterhalt der Autobahn gehört, das sei für sie der richtige Job. „Das ist abwechslungsreich und setzt ein gut eingespieltes Team voraus“, ist Andrea Albrecht überzeugt. Der Kolonnenchef Gerhard Schober und auch die anderen in seinem Team nicken zustimmend.„Sonst wäre ich selbst auch nicht seit fast 40 Jahren dabei“, meint der 64-Jährige.

Die Arbeit ist inzwischen beendet. „Das ist aber nichts Endgültiges, wir haben das Schlagloch nur geflickt, im Frühjahr wenn die Temperaturen über 20 Grad Celsius steigen, wird eine Fachfirma den Belag abtragen und erneuern“, erläutert Gerhard Schober. Der Rest seines Teams ist mittlerweile in die orangefarbenen Fahrzeuge eingestiegen. „Wir haben noch eine Schadstelle auf der anderen Seite des Westanschlusses zu richten. Dann geht es hinunter auf die A 81 in Richtung Heilbronn.“