Rüdiger Beisung erinnert sich an die UN-Konferenz, bei der er den amerikanischen Vizepräsidenten Al Gore traf. Außerdem blickt der Sprecher des Energiekreises Leonberg auf das Agenda-Jahr zur Energiewende zurück.

Leonberg - Der Haarschnitt ist etwas gewöhnungsbedürftig, die Krawatte in jedem Fall. Wir schreiben das Jahr 1998. Rüdiger Beising steht neben Klaus Töpfer, und das in Buenos Aires. Dort findet die UN-Klimakonferenz statt, Nachverhandlung zur Konferenz in Japan im Vorjahr, auf der das wegweisende Kyoto-Protokoll erarbeitet worden ist. Auch dort war der frühere Umweltbeauftragte der EnBW dabei, als Vertreter der deutschen Elektrizitätswirtschaft. Ex-Umweltminister Töpfer ist zu der Zeit Direktor des UN-Umweltsekretariats. Eine bewegende Zeit, in der viel bewegt worden ist, sagt Beising im Rückblick. „Als kurz vorm Ende der Verhandlungen, als es ganz danach aussah, als würden sie scheitern, Al Gore auftauchte und sich persönlich einschaltete, das war beeindruckend“, erzählt der Sprecher des Energiekreises der Lokalen Agenda, der zudem für die SPD im Gemeinderat sitzt.

 

Doch das Ergebnis des Klimagipfels in Paris vor einem Monat sei noch viel beeindruckender. „In Kyoto haben sich nur die Industriestaaten zu einer Reduzierung der Treibhausgase verpflichtet, diesmal alle Staaten“, nennt er den für ihn wichtigsten Unterschied. Zudem hätten die Länder diesmal Aktionsvorschläge eingereicht. Auch wenn er relativieren muss: „Wenn nur diese Vorschläge umgesetzt werden, wird das nicht reichen.“ Dann werde die Erderwärmung nicht mehr umzukehren sein.

Ein Jahr lang hat Beising mit seinem Energiekreis auf das Thema aufmerksam machen können – ganz lokal. „Energiewende in Leonberg“ lautete das Agenda-Jahresmotto 2015. Ende der 90er-Jahre seien die USA der größte Klimasünder gewesen. Doch seitdem sei viel passiert, das Land ist viel „grüner“, als man sich in Europa gemeinhin vorstelle. Nun habe China die Vereinigten Staaten weit überholt.

Deutschland sieht er generell gut aufgestellt. „Der CO2-Ausstoß ist von 1990 bis 2014 um 27 Prozent reduziert worden, bis 2020 schaffen wir vermutlich 40 Prozent“, erklärt der Umweltexperte. Jedoch mit einer Einschränkung: der Anteil Deutschlands am weltweiten Kohlendioxid-Ausstoß liegt nur bei 2,4 Prozent. „Wir allein können das Klima nicht retten“, meint er. Sind also sämtliche Bestrebungen in der Bundesrepublik sinnlos, weil unbedeutend? Rüdiger Beising lacht. „Wissen Sie, warum die deutsche Wirtschaft so gern bei der Energiewende mitmacht? Weil wir Vorreiter bei vielen Technologien sind und die sich gut exportieren lassen“, erklärt der Energiekreissprecher. Das beste Beispiel sei die Fotovoltaik-Industrie.

Die auch in Leonberg gut verdient. Hat der Energiekreis doch 2015 die mittlerweile sechste Bürger-Solaranlage (Leo-Solar 6) in Betrieb genommen – und das doppelt so groß wie ursprünglich geplant, derart viele Anleger hatten sich gemeldet. Nun zieren die Solarmodule die Dächer von sechs weiteren öffentliche Gebäuden. Mehr als 500 Anlagen insgesamt gibt es mittlerweile in Leonberg.

„Auch die Stadt leistet weiterhin einen Beitrag durch die energetische Sanierung der Schulen und ein neues Niedrigenergie-Rathaus sowie die aufwendige Umrüstung der Straßenbeleuchtung auf LED“, nennt der 71-Jährige weitere Beispiele. Das Energiewendejahr 2015 habe in Leonberg sicher nicht die Massen mobilisiert, aber eine verstärkte Resonanz sei schon zu spüren. Etwa beim Ideenwettbewerb für Schüler zum Thema Energiesparen. „Das Thema Umwelt/Energie/Klima steht im Lehrplan. Aber es hängt oft davon ab, ob sich der Lehrer auch dafür interessiert“, wünscht er sich hier mehr Engagement. So wie bei der Klasse 4a der August-Lämmle-Schule, die sich mit Zeichnungen am Energiespar-Wettbewerb beteiligt hat.

„Die Energiewende gelingt nicht von heute auf morgen, aber Schritt für Schritt geht es auch in Leonberg voran. Und daran werden wir vom Energiekreis auch 2016 weiter arbeiten“, gibt er einen Ausblick auf das noch vor uns liegende Jahr. 2016 lautet das Motto übrigens „Aufeinander zugehen“. Anders als bislang übernimmt nicht eine Agenda-Gruppe den Vorsitz. Denn ähnlich wie beim Klimagipfel sollen 2016 alle an einem Strang ziehen.