Experten könnten sich ein Drei- bis Vier-Sterne-Haus am Rand der Altstadt vorstellen.

Leonberg: Thomas Slotwinski (slo)

Leonberg - Ein neues Mittelklasse-Hotel mitten im Stadtzentrum? Ein günstigeres Haus im künftigen Gewerbegebiet Leo-West? Oder doch lieber gar kein zusätzliches Hotel, weil es in Leonberg und seinem Umland schon jetzt ausreichend Übernachtungsmöglichkeiten gibt? Diese Fragen müssen die Mitglieder des städtischen Planungsausschusses und des Gemeinderates Ende Januar beantworten. Dann werden die politischen Gremien darüber diskutieren, ob ein größeres Angebot an Fremdenzimmern zusätzliche Gäste und damit mehr Einnahmen bringt.

 

Der Oberbürgermeister könnte sich ein weiteres Hotel im Zuge des sogenannten Brückenschlags vorstellen. Wenn die Lücke zwischen dem Leo-Center und dem Marktplatz städtebaulich geschlossen wird, wäre womöglich Platz für eine Herberge auf dem Gelände der Hauptpost.

Neue Handlungsoptionen

Wie berichtet, verlegt die Post ihr Frachtgeschäft ins neue Gewerbegebiet. „Das geht schneller als gedacht“, sagt Bernhard Schuler. „Damit haben wir Ende des kommenden Jahres neue Handlungsoptionen.“ Im Klartext bedeutet dies, dass die Stadt die Fläche bebauen kann. Zum Beispiel auch mit einem Hotel. Um Klarheit zu schaffen, was denn nun die beste Lösung wäre, hat die Stadt die Unternehmensberatung Treugast damit beauftragt, den lokalen Hotelmarkt einmal näher unter die Lupe zu nehmen. Das Fazit der Hotellerie-Experten aus München: Im Grundsatz würde schon noch ein weiteres Hotel nach Leonberg passen. Das allerdings würde zu einem verschärften Konkurrenzkampf vor Ort führen. Denn schon jetzt bieten das Amber-Hotel, das Hotel Hirsch, das Schlosshotel Höfingen und einige kleinere Übernachtungsbetriebe insgesamt rund 500 Betten an.

Vor allem Geschäftsreisende

Zum wettbewerbsrelevanten Leonberger Umkreis zählen die Gutachter außerdem das Bonjour-Tagungshotel in Gerlingen, das Hotel 2050 in Rutesheim und das Hotel Campo in Renningen.

Es sind vor allem Geschäftsreisende, die sich in Leonberger Zimmern vom Stress erholen. Die Nähe zu den Autobahnen und zur Metropole Stuttgart beleben die Hotellerie-Branche. Rund 55 000 Übernachtungen im Jahr bringen eine Auslastung von 41 Prozent. Die liegt knapp unter dem Bundesdurchschnitt (43 Prozent).

Die größten Chancen sehen die Experten von Treugast für ein preisgünstiges sogenanntes Budget-Hotel im Gewerbegebiet Leo West, das einem Zwei-Sterne-Haus entspräche. Dies sollte 80 bis 100 Zimmer haben, maximal 22 Quadratmeter pro Zimmer aufweisen und eine kleine Gastronomie mit Bar, eventuell einem Fitnessbereich. Damit könnten nicht nur Geschäftsleute und Messebesucher, sondern angesichts des nahen West-Anschlusses zudem preisbewusste Reisende angesprochen werden, die nach einer langen Autofahrt eine Übernachtung einlegen möchten.

Internationale Kette mit Strahlkraft

Würde das Haus zu einer international bekannten Kette gehören, so meint Julian Miebach von Treugast, brächte das eine weitere Strahlkraft mit sich. Eine populäre Hotelkette gibt es hier noch nicht.

Grundsätzlich gute Noten verteilen die Gutachter aber auch an den Standort Innenstadt. Hier ist die Anbindung an Bus und Bahn besser, die Lage attraktiver, so dass Geschäftsreisende den Aufenthalt nutzen können, um Leonberg, zum Beispiel die Altstadt, besser kennenzulernen. Die drei Gewerbegebiete sind trotzdem in wenigen Minuten per Auto erreichbar. Im Zentrum empfehlen die Gutachter aber ein Haus mit mindestens drei Sternen.

Oberbürgermeister Bernhard Schuler und Baubürgermeister Klaus Brenner tendieren zu einem Hotel auf dem jetzigen Post-Areal. Denn das brächte nicht nur größere Möglichkeiten bei der Entwicklung der Stadtachse, sondern würde darüber hinaus das Zentrum stärker beleben.

Impulse fürs Zen

Zudem könnten in diesem Bereich sogenannte Boardinghouses realisiert werden. Das sind Appartements mit Hotelservice, die Firmen gerne nutzen, um ihre Mitarbeiter bei zeitlich begrenzten dienstlichen Projekten günstiger als im Hotel unterzubringen.

Angesichts der zahlreichen Betriebe in und um Leonberg wird diese Variante von den Gutachtern begrüßt. Aber, so warnen sie, das Geschäft mit Geschäftsreisenden hänge maßgeblich von der Konjunktur ab.

Kommentar

Der Bedarf scheint gedeckt

Ein neues Hotel würde die Stadt nicht wirklich nach vorne bringen, die bestehenden Betriebe aber in starke Bedrängnis.

Zugegebenermaßen klingt der Gedanke verlockend: Wenn die Stadtachse in wenigen Jahren endlich das zerrissene Leonberger Zentrum vereinen wird, wäre ein Hotel in diesem städtebaulich so wichtigen Projekt ein passender Baustein. Die Nähe zur Altstadt und zu den Läden könnte neue Gästegruppen über die Geschäftsreisenden hinaus erschließen. Ein gutes Restaurant im Haus würde die Attraktivität der City steigern.

Doch betrachtet man sich das vorhandene Angebot in und um Leonberg, muss bezweifelt werden, ob ein weiteres Hotel hilfreich ist. Allein das Amber-Hotel verfügt über 141 Zimmer. Es liegt zentral zwischen Stadtpark, Stadthalle und Leo-Center, ist also ein ideales Tagungshaus, das zudem als Restaurant bekannt ist.

Das gilt auch für das alteingessene Hotel Hirsch. Die Familie Eiss hat erst unlängst ein neues Gästehaus eröffnet, so dass in der Hindenburgstraße jetzt 77 Zimmer für 120 Gäste zur Verfügung stehen. Wieder in Betrieb ist das Schlosshotel Höfingen, das Hotel Glemseck wird gerade aufwendig renoviert. In Gerlingen, Renningen und Rutesheim gibt es ebenfalls attraktive Unterkünfte, dazu Fremdenzimmer in verschiedenen Restaurants.

Und so riesig groß ist der Bedarf vor Ort nun eben nicht. Mit 41 Prozent liegt die Auslastung zwar knapp, aber doch unter dem Bundesdurchschnitt. Touristen verbringen kaum eine längere Zeit in Leonberg und Umgebung. Es sind vor allem Geschäftsleute, von denen die heimischen Hotelbetriebe leben. Doch deren Buchungen könnten zurückgehen, sollte die Konjunktur einmal nicht mehr so stark brummen. Nicht umsonst warnen die Hotelexperten von Treugast vor einem Verdrängungswettbewerb zu Lasten der heimischen Betriebe, sollte in der Stadt ein neues Hotel angesiedelt werden.

Gewiss: Konkurrenz belebt das Geschäft. Mehr Wettbewerb könnte dazu führen, dass die etablierten Häuser ihren Service noch verbessern, etwa durch Wellnessangebote. Unterm Strich aber scheint der Bedarf im Raum Leonberg gedeckt. Und wenn keine zusätzliche Nachfrage zu erwarten ist, wird sich ohnehin jeder Investor überlegen, ob dann sein Geld gut angelegt ist. Allenfalls Sinn machen könnte ein Budget-Hotel im neuen Gewerbegebiet an der Autobahn für sparsame Durchreisende. Aber selbst solch ein Vorhaben müsste genau geprüft werden.