Astronaut und Physiker Ernst Messerschmid ist zu Gast beim Kolleg im Kepler. Dabei gibt er faszinierende Einblicke ins Weltall aus erster Hand.

Leonberg - Wer hätte das gedacht: „Leo ist überall“, stellt der Physiker und Astronaut Ernst Messerschmid bei einem Vortrag vor Schülern, Lehrern und Gästen im Johannes-Kepler-Gymnasium fest. „Auch im All!“ Denn Leo ist nicht nur das bekannte heimische Autokennzeichen, sondern eine wissenschaftliche Abkürzung und bedeutet „Low Earth Orbit“. Das ist die erdnahe Umlaufbahn, auf der sich die US-Raumfähre Challenger um die Erde bewegte. Mit an Bord der ersten deutschen Spacelab-Mission vom 30. Oktober bis zum 6. November 1985 war der gebürtige Reutlinger Ernst Messerschmid.

 

Er war der dritte Deutsche und der erste Schwabe im Weltall. Bei den Space-Shuttle-Missionen suchten die Amerikaner nach Finanzierungspartnern in Europa. Die Idee entstand, ein Labor mit ins All zu nehmen. So konnten europäische Wissenschaftler mitfliegen. Messerschmid und seine Kollegen betreuten auf seinem Flug über 70 wissenschaftliche Experimente. 112-mal umkreiste er in diesen sieben Tagen an Bord der Challenger die Erde.

Ob er Heimweh hatte in dieser Zeit, fragt einer der Zuhörer. „Nein, nur später wieder auf der Erde hatte ich Heimweh nach dem All“, sagt Messerschmid und lacht. „Wir hatten mit unseren Experimenten viel zu tun und in der sehr technischen Umgebung gibt es keine Zeit für solche Gedanken.“ Bis zu 18 Stunden am Tag arbeiten die Astronauten, Freizeit gibt es kaum und die wird mit Essen, Schlafen oder Aufräumen verbracht.

„Man sitzt auf 2000 Tonnen Sprengstoff“

Einer der Schüler fragt, wie er sich beim Start gefühlt habe. Messerschmid findet klare Worte: „Das ist, als würde man acht Minuten lang einen kräftigen Tritt in den Hintern bekommen. Man spürt das Dreifache des eigenen Körpergewichts. Immerhin sitzt man auf 2000 Tonnen Sprengstoff, die in dieser Zeit verbrennen.“

Messerschmid ist nach Leonberg gekommen, um Werbung für die naturwissenschaftlichen Schul- und Studienfächer zu machen und den Nutzen der Raumfahrt für unseren Alltag zu verdeutlichen. Enorme Fortschritte für die Materialforschung, Strömungsmechanik und Medizintechnik hat sie gebracht. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, wie die Schwerelosigkeit auf unterschiedliche Materialien wirkt. Ziel ist es, durch neue Erkenntnisse Produktionsprozesse auf der Erde zu optieren. „Die Raumfahrt hat unser Leben verändert, unsere Sicht auf die Dinge“, erklärt der ehemalige Astronaut. Deutlich wird das auch durch die Satellitentechnologie für die Datenkommunikation, für Navis oder für Handys. Außerdem kann die Erde vom Weltraum aus vermessen werden, Umweltschäden und der Klimawandel werden sichtbar.

Der lange Weg ins All

Wie man Astronaut wird, macht der Lebenslauf von Messerschmid deutlich. Nach einer Ausbildung zum Installateur im heimischen Betrieb macht er auf dem zweiten Bildungsweg sein Abitur und studiert Physik. Nach verschiedenen Stationen in Forschungseinrichtungen kommt er 1977 über eine Stellenanzeige der Europäischen Raumfahrtorganisation ins Astronautenteam. Kurz nach seinem Flug geht er an die Universität Stuttgart, die ihn 1986 zum ordentlichen Professor und Direktor ihres Instituts für Raumfahrtsysteme beruft. Später wird er Leiter des Europäischen Astronautenzentrums. Mittlerweile im Ruhestand, ist er heute noch als Botschafter für das Raumfahrtthema unterwegs.

Dass naturwissenschaftliche Unterrichtsfächer äußerst spannende Karrieren nach sich ziehen können, erzählt am Rande der Veranstaltung eine ehemalige Schülerin des Johannes-Kepler-Gymnasiums, die bei Messerschmid die Raumfahrttechnik erlernt hat. Nach dem Abitur mit den Leistungsfächern Physik und Mathematik 1985 studiert Ivana Hrbud bei Messerschmid an der Stuttgarter Uni Luft- und Raumfahrttechnik. Er verhilft ihr zu einem Auslandsaufenthalt in den USA, damit sie dort ihre Diplomarbeit schreiben kann. Sie bleibt und promoviert im Spezialfach „Elektrische Raketenantriebe“. Dann geht sie zur Nasa nach Huntsville. Seit 2011 ist sie wieder in Deutschland und arbeitet am Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrum in Oberpfaffenhofen.

Auch nach dem Risiko wird Messerschmid von den Schülern gefragt. Für ihn steht klar das Ziel im Vordergrund, die Risiken nimmt der Astronaut dafür in Kauf. Wie viel Glück Messerschmid bei seinem Flug hatte, wird später deutlich. Es war die 22. Space-Shuttle-Mission und der neunte und letzte erfolgreiche Flug der Raumfähre Challenger. Am 28. Januar 1986 explodiert die Challenger kurz nach dem Start. Alle sieben Astronauten kommen ums Leben. Probleme mit der Dichtung waren der Nasa lange bekannt, bereits bei Messerschmids Flug.