Die Sozialstation stellt Räume für die Beratung und Untersuchung im Treff Sonnenschein bereit.

Leonberg - Die Sprechstunde in der Begegnungsstätte Sonnenschein ist voll ausgebucht. Vier Babys mit ihren Müttern und Vätern sind dort vorgemerkt. Diese suchen Rat bei den Hebammen, die hier Beratungsgespräche und Untersuchungen kostenlos zur Verfügung stellen.

 

Doch was machen Neugeborene, ihre Eltern und Hebammen in einer Begegnungsstätte, die eher für Menschen mit Demenz und deren Angehörige gedacht ist? Den Ausschlag gab ein gravierendes gesellschaftliches Problem – der zunehmende Mangel an Hebammen. Die nun eingerichtete Sprechstunde ist die Antwort der Sozialstation Leonberg darauf.

Den Hebammen geht nämlich der Nachwuchs aus. Das will nicht heißen, dass in Leonberg und Umgebung weniger Kinder geboren werden – ganz im Gegenteil –, sondern dass immer weniger Frauen den Beruf der Geburtshelferin ausüben, vor allem freiberuflich. Beratungsstellen und das Müttergenesungswerk schlagen seit Jahren Alarm, die Versorgung von Schwangeren sei nicht weiter gesichert. Besonders bei fortgeschrittener Schwangerschaft ist es schier unmöglich, einen Platz in einem Geburtsvorbereitungskurs zu finden. Das Problem ist, dass immer mehr freiberufliche Hebammen aufhören. Der Beruf ist inzwischen durch gesetzliche Vorgaben und überbordende Versicherungsgebühren wirtschaftlich völlig unattraktiv geworden.

Hebammen sind überlastet

Die verbliebenen Hebammen sind überlastet und müssen oft Anfragen ablehnen. Es kommt zu Engpässen sowohl bei der Versorgung von schwangeren Frauen vor der Geburt, als auch danach bei der Betreuung der Mütter und Säuglinge. „Paradox ist, dass der Gesetzgeber jeder Schwangeren und ihrem Baby das Recht auf zwölf Wochen Betreuung durch eine Hebamme zugesteht, aber nichts unternimmt, dass der Beruf auch attraktiv bleibt“, bringt es die Hebamme Zenta Schneider auf den Punkt.

Die ersten zehn Tage nach der Geburt sollte die Hebamme jeden Tag vorbeischauen, in den beiden ersten zwei Monaten 16 Hausbesuche tätigen sowie acht Stillberatungen, bis das Baby ein Jahr alt ist. „Vor etwa drei Jahren hat uns die Stadträtin Susanne Kogel aus eigener Erfahrung auf das Problem des Hebammenmangels aufmerksam gemacht“, sagt der Erste Bürgermeister Ulrich Vonderheid als Vorsitzender des Aufsichtsrates der Sozialstation. Bei Geschäftsführer Reinhard Ernst habe er offene Ohren für eine Lösung gefunden, doch der sei rasch an die gesetzlichen Grenzen gestoßen. „Als Sozialstation dürfen wir keine Hebamme einstellen, die sind entweder freiberuflich oder bei einem Krankenhaus beschäftigt“, musste Ernst feststellen.

Neue Stelle einer Koordinatorin geschaffen

Doch geschlagen geben wollte man sich nicht. So stellt die Sozialstation nun den vier Hebammen Zenta Schneider, Elsbeth Gengenbach, Hanna Dittus und Andrea Gaisser in der Schlegelstraße unentgeltlich Räume für Beratungsgespräche und Untersuchungen zur Verfügung. Kommt niemand in die Sprechstunde, zahlt die Sozialstation den Verdienstausfall. „Dieses Angebot ist geeignet für Hebammen, die aus familiären Gründen nur in Teilzeit oder stundenweise tätig sein wollen oder können“, sagt Ernst. In der Begegnungsstätte stellt die Sozialstation auch einen kostenlosen Gruppenraum für von Hebammen geleitete Kurse zur Verfügung. Diese finden gemeinsam mit der Familienbildungsstätte statt.

Die Sozialstation hat zudem die Stelle der Hebammenkoordinatorin geschaffen. Bei Silvia Honal und Nadja Lakhani laufen alle Angelegenheiten zusammen, von der Angebotsorganisation bis zur Wohnungssuche für neue Hebammen. Über Silvia Honal, die auch die ersten „Elternbriefe“ der Stadt an die jungen Familien überbringt, werden diese über das neue Angebot informiert. Das sei eine reine Nachsorge für Mütter und ihre Neugeborenen und keine Schwangerschaftsfestellung oder Vorsorgeuntersuchung. Der Termin der Sprechstunde ist immer dienstags von 9.30 bis 11.30 Uhr, der nächste ist am heutigen Dienstag, der folgende am 21. November.