Nur eine S 6 fährt derzeit in der Stunde. Da sinken die Mundwinkel der Verkäufer in den Kiosks, Bäckerei-Filialen oder Snackbars in Bahnhofsnähe. Denn die Verkaufszahlen gehen in solchen Zeiten rapide zurück.

Leonberg/Renningen - Kaum Menschen und leere Gleise. Das ist der Anblick, der sich derzeit an den Bahnhöfen entlang der S-Bahn-Linie 6 bietet. Denn die Lokführergewerkschaft GDL streikt seit Dienstag, der mittlerweile achte Ausstand. Dieses Mal legen die Lokführer für sechs Tage die Arbeit nieder. Ab Sonntag, 10. Mai, 9 Uhr, sollen die Räder wieder rollen. Bis dahin fährt die S 6 nur einmal pro Stunde statt sonst vier Mal.

 

Wer also nicht eine Stunde auf seinen Zug warten möchte, der muss eben auf das Auto umsteigen oder das Fahrrad aus der Garage zerren. Es ist nicht nur ein ständiges Ärgernis für die Fahrgäste, auch die Geschäfte, die an und um die Bahnhöfe ihren Standort haben, spüren eine Veränderung. Weniger Fahrgäste heißt weniger Kunden. Das bedeutet auch geringere Einnahmen. Doch wie hoch sind die Verluste tatsächlich? Im „Medusa“, einem Komplex aus Bar, Kiosk und Backwarenshop am Renninger Bahnhof beträgt der Verlust etwa 30 bis 40 Prozent an jedem Streiktag.

In der Woche „ein paar tausend Euro weniger“

„Auf die Woche hochgerechnet sind das dann schon ein paar tausend Euro weniger“, erklärt Umut Bülbül, der Filialleiter des Betriebs. Maren Jesse, die Chefin des Kiosks am Weil der Städter Bahnhof, spricht sogar von ungefähr 80 Prozent Verlust. Sie seien abhängig von den Pendlern, meint sie, da die meisten Kunden eben Bahnfahrer sind. Erschwerend hinzu kommt noch die Lage, denn Weil der Stadt ist ein Endbahnhof, den nur die S 6 anfährt.

Doch auch in Leonberg verursacht der Streik Probleme: Pro Tag, an dem stündlich nur eine S-Bahn fährt, seien es um die 250 Kunden weniger als normalerweise, berichtet Romina Cunetto. Sie ist Bäckereifachverkäuferin in der Filiale der Bäckerei Sehne im Bahnhofsgebäude. „Dennoch sind die Einnahmen immer noch ganz okay. Zwar fährt nur ein Viertel der Züge, aber wenn dann einer hält, kommt schließlich auch ein ganzer Schwarm an Menschen.“

Auch Veronika Schulter, die Chefin des Kiosks neben dem Bäcker, bemerkt einen Unterschied. „Es kommen ungefähr 100 bis 150 Leute pro Tag weniger in meinen Laden, um etwas zu kaufen“, sagt sie.

Im „Brauhaus Sacher“, im ehemaligen Leonberger Güterbahnhof, halten sich die Auswirkungen des Streiks dagegen in Grenzen. „Wir öffnen erst um 16 Uhr und bekommen vom Pendlerverkehr gar nicht so viel mit“, sagt Dominik Sacher, der Chef des Hauses. Zudem sei schwer zu beurteilen, welche Gäste tatsächlich mit der Bahn kommen und welche nicht. Am Umsatz spüre er den Streik jedenfalls nicht. „Die Tische sind trotzdem besetzt“, sagt Sacher. Bei einem der ersten Lokführer-Streiks sei es das ein oder andere Mal vorgekommen, dass eine Reservierung abgesagt worden ist. „Da wurde dann auch der Streik explizit als Grund genannt“, ergänzt der Inhaber.

Sorgenfalten durch geschlossenes Parkhaus

Mit größeren Sorgen blickt er jedoch auf die andere Straßenseite. Denn seit dieser Woche ist das Bahnhofs-Parkhaus zu. Es soll abgerissen und durch einen Neubau ersetzt werden. „Wenn die Bauarbeiten dann richtig losgehen, befürchte ich, dass weniger Gäste kommen. Das wird einfach viel Lärm und Dreck geben“, meint Dominik Sacher.

Auf ein vorzeitiges Ende des Lokführerstreiks jedenfalls haben die Bahnfahrer, aber auch die Ladenbetreiber umsonst gehofft. Gestern gab die Gewerkschaft bekannt, wie geplant bis Sonntag, 9 Uhr, zu streiken.