Die Proteste gegen einen vierspurigen Ausbau des Autobahndreiecks Leonberg werden lauter, und sie bekommen neue Argumente – ausgerechnet von der EU-Kommission. Sie fürchtet höhere Feinstaubbelastungen in Leonberg und mahnt mehr Aktivitäten an.

Leonberg/Renningen - Die Proteste werden lauter, und sie bekommen neue Argumente – ausgerechnet von der EU-Kommission. Wie berichtet, haben sich die Lärmschutz-Initiativen aus Leonberg und Renningen zusammengeschlossen. Sie wollen einerseits mehr Schallschutzwände und lehnen andererseits die geplante vierte Spur auf der A 8 vom Stuttgarter Kreuz zum Dreieck Leonberg ab, den sogenannten Verflechtungsstreifen, der de facto eine vierte Spur ist. Dazu führen sie als neues Argument nun den Feinstaub an. Daher zitiert Ewald Thoma, der Sprecher der Leonberger Arbeitsgemeinschaft AVGL, eine Stellungnahme der EU-Kommission, die vom 26. November 2014 datiert. Darin geht es um eine sogenannte „Vertragsverletzung“, weil die Bundesrepublik aus Brüsseler Sicht zu wenig gegen Feinstaub tut.

 

Leonberg im Fokus der EU

Zwei große Problemzonen werden dabei in Deutschland in Sachen Feinstaub genannt: Leipzig und Stuttgart. Und dabei tauchen auch, anders als bisher, Leonberg und Ludwigsburg mit auf. „Das ist eine neue Qualität“, erklärt dazu Ewald Thoma. Schließlich sei man bislang immer nur davon ausgegangen, dass die bekannte – und durch alle Aktivitäten nicht beseitigte – Feinstaubbelastung am Stuttgarter Neckartor die Keimzelle allen Übels war. „Jetzt aber wird erstmals auch der Ballungsraum mit einbezogen“, sagt Thoma. Konkret eben auch der Raum Leonberg.

Schon bislang seien die Wohngebiete vor allem in Leonberg stark betroffen. Auch beim sogenannten Stickoxid. „Die Situation bei NO2 ist noch kritischer als bei Feinstaub. Die EU ist dabei, auch deswegen die Vorstufe für ein Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten“, erklärt Ewald Thoma. Seine Hoffnung ist, dass damit von ganz oben Druck ausgeübt wird.

Der Druck soll vor allem in Richtung Regierungspräsidium und Landesregierung gehen. Parallel dazu haben die Bürgerinitiativen auch Druck von unten aufgebaut: Sie haben an den Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann geschrieben. Sie verweisen auf das Versprechen des grünen Regierungschefs, die Bürger aktiver zu beteiligen. „Das hat bei uns große Hoffnungen geweckt“, schreibt Ewald Thoma. Allerdings sei das im Fall Leonberg/Renningen gerade nicht der Fall.

Die Lärmgegner beklagen bekanntlich seit Monaten, dass die vierte Spur im Übergang von der A 81 aus Richtung Böblingen zum Engelbergtunnel ohne Planfeststellungsverfahren abläuft. Stattdessen werde die sogenannte „Plangenehmigung“ ohne Bürgeranhörung angewandt – das eigentlich für den „Aufbau Ost“ in den neuen Bundesländern geplant gewesen sei. „Dass ein solches Verfahren ausgerechnet an einem der viel befahrensten Autobahnabschnitte angewandt wird, ist geradezu grotesk“, kritisiert Thoma in dem Brief.

Auch der Leonberger Norbert Streibl hat dies in einem weiteren Schreiben ans Regierungspräsidium beklagt. Er fürchtet, dass allein der Schwerlastverkehr um 54 Prozent in 15 Jahren ansteigen werde – für eine solche Veränderung brauche es ein ausführliches, geordnetes Verfahren.

Ist der Lückenschluss illegal gebaut?

Noch deutlicher wird Ewald Thomas beim Dauerbrenner „Lückenschluss“ zwischen B 295 und B 464 bei Renningen. Der provisorische Ausbau der Kreuzung im vergangenen Jahr sei „ohne Genehmigung“ gebaut worden. Die AVGL und die Renninger Initiativen Hummelbaum und Kindelberg beklagen, ihre Proteste seien vom Verkehrsministerium und vom Regierungspräsidium nicht ernst genommen worden.

Schließlich richten sie direkt eine Bitte an Kretschmann: „Leider wissen wir uns nicht anders zu helfen, als Sie zu bitten, diese Angelegenheit zur Chefsache zu machen.“ Dass es wohl kaum gesetzliche Ansprüche für Lärmschutz entlang der Autobahn und der B 295 gibt, räumen die Bürgerinitiativen ein. „Wir können uns nicht vorstellen, dass Sie es darauf ankommen lassen, dass Gerichte einer grün geführten Landesregierung Bürgerbeteiligung und Lärmschutz verordnen müssen“, so ihr Appell in Richtung Kretschmann.