Jugendliche des offenen Strafvollzugs im Seehaus bekommen von Finanzexperte Ulf Pöckelmann Ratschläge, wie sie ihr Geld am besten anlegen können. Weil er das ehrenamtlich macht, ist er jetzt für den Deutschen Engagementpreis nominiert worden.

Leonberg - Wenn Ayhan* eines Tages auf einer Spritztour mit seinem Auto unliebsame Bekanntschaft mit einem am Straßenrand stehenden Baum machen sollte, dann wird er aufgrund des Blechschadens ganz entspannt seine Versicherung anrufen. Denn der 19-Jährige wird im Vorfeld dafür gesorgt haben, dass er im Ernstfall nicht sein blaues Wunder erlebt. „Auf der sicheren Seite bin ich mit einer Vollkaskoversicherung, auch wenn ich den Crash selbst verschuldet habe“, sagt er, „eine Haftpflicht- oder Teilkaskoversicherung bringen mir in dieser Situation nichts.“

 

Diese Erkenntnis zog der 19-Jährige aus dem Workshop „My Finance Coach“ vor wenigen Tagen im offenen Strafvollzug Seehaus am Glemseck. Zwei Experten gewährten ihm und acht weiteren straffälligen Jugendlichen einen Einblick in die Finanzwelt, sie dozierten über die verschiedenen Versicherungsarten, gaben Anlagetipps und erklärten ökonomische Zusammenhänge. Sechs aufeinander aufbauende Themenkomplexe, darunter Kaufen, Sparen sowie der Umgang mit Risiken standen auf dem vierstündigen Programm.

Welche Folgen haben Schulden?

„In erster Linie geht es darum, den Jungs einen verantwortungsbewussten Umgang mit Geld aufzuzeigen“, betonte der selbstständige Versicherungsfachmann Ulf Pöckelmann, der mit Maximilian Weiß von der Allianz Rede und Antwort stand. „Den Jugendlichen soll klar werden, dass sich möglichst keine Schulden anhäufen und falls doch, welche Folgen eine Verschuldung für sie haben kann“, erklärte der Kornwestheimer, der ein Versicherungsbüro in Leonberg führt, den weiteren Hintergrund des Workshops.

Pöckelmann steht seit 2012 in den Diensten der gemeinnützigen Stiftung, die vom Versicherungsriesen Allianz, dem PR-Netzwerk Grey sowie der Unternehmensberatung McKinsey gegründet wurde und in der Vergangenheit schon mal wegen ihres „tendenziösen Gesamtkonzeptes“ von der Bundesverbraucherzentrale kritisiert wurde. Mit seiner Expertise bringt sich der 46-Jährige für die von der Weltkulturorganisation Unesco zu einem offiziellen Projekt der „UN-Dekade der Bildung für nachhaltige Entwicklung” gekürten Initiative hauptsächlich an Schulen in Baden-Württemberg ein. Die ehrenamtliche Arbeit sei für ihn eine Ehrensache, sagte der 46-Jährige, der darin eine „Erfüllung“ findet. Nach einem Besuch im Seehaus im sächsischen Störmthal gastierte er nun zum zweiten Mal in Leonberg.

Es geht um persönliche Schicksale

Sein dortiges Tun stelle er sogar über die Klassenbesuche. „Der Einsatz im offenen Vollzug ist für mich fast noch mehr wert, denn es geht dort auch um persönliche Schicksale“, erklärte er. Nicht selten kämen die jungen Straffälligen am Rande der Veranstaltung auf ihn zu, um ihr Herz auszuschütten. Vielleicht kann ich durch Gespräche auch etwas dazu beisteuern, dass sie in der Zukunft nicht mehr mit dem Gesetz in Konflikt geraten und mit ehrlicher Arbeit ihr Geld verdienen, das sie dann bedacht anlegen“, sagte Pöckelmann, der kürzlich mit seinem Wirken für den Deutschen Engagement-Preis nominiert wurde. Sollte er den mit 10 000 Euro dotierten Preis holen, würde er das Geld an das Seehaus spenden.

Wie Marco* sein Geld investiert, das weiß der 17-Jährige, der seine Strafe wegen räuberischer Erpressung und Einbruch verbüßt, ganz genau. „Mein Geld werde ich in Edelmetalle anlegen“, kündigte er an, während er das „Magische Dreieck der Vermögensanlage“ mit seinen Anlagezielen Rentabilität, Liquidität und Sicherheit kritisch beäugte. Dass man aber die perfekte Anlagemöglichkeit vergeblich suche, das betonte Coach Pöckelmann mit Nachdruck. „Eine hohe Rendite verbunden mit einem geringen Risiko gibt es einfach nicht“, brachte der 46-Jährige seine ganze Erfahrung ins Spiel.

Fast jeder hat Geldprobleme

Auf eben jene Erfahrung aus der Finanzwelt setzt Irmela Abrell, die im Seehaus die pädagogische Leitung innehat und den richtigen Umgang mit Geld eine gewichtige Rolle zuschreibt. „Die allermeisten Jungs, die zu uns kommen, haben hohe Schulden“, erzählte die Pädagogin, deren Anliegen es ist, den Workshop, der neben einer EDV-Schulung, einem Gewaltpräventionskurs und anderen bildungsförderlichen Angeboten im Rahmen des Ferienprogramms im Seehaus veranstaltet wurde, auch in der Zukunft beizubehalten.

Für Ayhan* beginnt die Zukunft in drei Wochen. Dann bekommt er nach einer einjährigen Haftstrafe und einem neunmonatigen Aufenthalt im offenen Vollzug am Glemseck eine zweite Chance im Leben. Einen Ausbildungsplatz als Feinwerkmechaniker habe er schon in der Tasche. „Als nächstes möchte ich den Führerschein machen“, sagte der 19-Jährige mit Vorfreude. Zumindest in Sachen Kfz-Versicherung ist er nun für alle möglichen Eventualitäten im Straßenverkehr gewappnet.

* Die Namen wurden

von der Redaktion geändert.