Irgendwie hat der Landrat mit Veranstaltungen in Leonberg zurzeit kein Glück. Zur Bürgerinfo zur Neuorganisation der Kliniken im Kreis kamen nur etwa 250 Zuschauer, um die Erklärungen zum Medizinkonzept zu hören.

Leonberg - Irgendwie hat der Landrat mit Veranstaltungen in Leonberg zurzeit kein Glück. Bei der ersten Bürgerinfo zur Neuorganisation der Kliniken im Kreis im Herbst tagte gleichzeitig der Gemeinderat, am Freitag waren wohl viele in Fasnetslaune. Etwa 250 Zuschauer sind gekommen, um die Erklärungen von Landrat Roland Bernhard und Klinikverbundschefin Elke Frank zum Medizinkonzept zu hören – auch der Leonberger OB Bernhard Schuler saß mit auf dem Podium.

 

Vielleicht sind die Argumente ja schon zur Genüge ausgetauscht. Man hat als Beobachter jedenfalls den Eindruck, es ginge beiden Seiten mehr darum, ihre schon bekannten Positionen noch einmal zu beteuern, als andere zu überzeugen. Die IG-Metall-Senioren haben ein rotes Protestplakat aufgehängt. Der Gastgeber hat das erste Wort: „Manche glauben, wir Leonberger seien durchgedreht. Bei dem Teamplan-Gutachten überlege ich aber, ob es nicht an anderer Stelle der Fall ist“, sagt Schuler und erntet Applaus.

Als kleinen Showeffekt überreicht der eine Bernhard (OB) dem anderen (Landrat) 776 Unterschriften zu den über 30 000, die bereits im Landratsamt liegen. Etwas unglücklich wirkt das Stadtoberhaupt darüber, dass der Saal nicht ganz voll ist.

Dann wagt sich Roland Bernhard an eine Erklärung. „Die Proteste lassen mich nicht kalt, die kommen an und haben Wirkung“, räumt er ein. Nur seien die Fakten eben so, dass man daraus keine „Passivität ableiten“ könne. Es gehe um den goldenen Mittelweg, es sei noch nichts beschlossen. Dann spricht der Kreischef einmal mehr vom „faustdicken Kostenproblem“: Milliardenüberschüsse bei den Krankenkassen, sechs Millionen Euro Bauinvestitionen jährlich in Leonberg und Herrenberg, aber ein 20-Millionen-Defizit der Kliniken im Kreis Böblingen.

„Wir sind an der Schmerzgrenze, andere Landkreise sind an diesem Punkt schon ausgestiegen“, betont der Landrat und lässt einmal mehr das Gespenst der Privatisierung durch die Reihen geistern. Nur alles so zu lassen, wie es sei, das reiche nicht. „Wir müssen die Dinge auch verändern“, sagt er. Und die Alternativen zum Flugfeldklinikum seien alle geprüft worden.

Gegenwind bekommt der Landrat, als er das Flugfeld zwischen Böblingen und Sindelfingen als „attraktives Gebiet“ bezeichnet. Einige lachen darüber, Zwischenrufe wie „Notfallfabrik“ machen die Runde. Mit Appellen wie „Schenken Sie dem Kreistag das Vertrauen“ oder „Vertrauen Sie auf die Kostenschätzung der Verwaltung“ kann Bernhard nicht punkten. Er bekennt sich klar zu einem „Leuchtturm in Leonberg“, sagt aber: „Wer aggressiv den Erhalt von Leonberg fordert, aber nach Stuttgart ins Krankenhaus geht, liegt schief.“

Höflicher Beifall, immerhin. Mehr Erfolg hat die Klinikverbundschefin Elke Frank, die ihr Konzept von Abteilungen über Standorte hinweg erklärt: „Es gibt keine Einbahnstraße, es soll nicht alles in einem Haus zentralisiert werden.“

Auch Hans Georg Leser, der Böblinger Klinikchef, appelliert: „Wenn wir die Leute nicht überzeugen, dass sie in ein Krankenhaus des Verbundes gehen, haben wir etwas falsch gemacht.“ Die Chefarztfrage sei „reichlich überbewertet“, findet er, eine „autarke Führung vor Ort“ sei wichtiger.

Der OB Bernhard Schuler erntet hingegen viel Applaus, als er sagt: „Wir brauchen eine langfristige Perspektive.“ Und er weist einmal mehr auf die Besonderheit der Leonberger Lage hin: „Wir haben ein Einzugsgebiet von 170 000 Einwohnern, die aber auf drei Landkreise verteilt sind.“ Das sei die Lebenswirklichkeit, die sich nicht in politischen Grenzen abbilde.

So weit, so bekannt auch die Argumente für und gegen eine Zentralisierung. Und so eindeutig auch die Haltung der Zuschauer. „Es ist eine irrige Meinung, dass Patienten im Verbund denken“, sagt eine ehemalige Brustkrebspatienten aus Leonberg, „das ist mir wurscht. Wenn es in Leonberg nicht mehr genug gibt, gehe ich nach Stuttgart.“ Selbst die Böblinger gingen nur zu 40 Prozent in ihre Kliniken, da sei es ein Irrglaube zu vermuten, die Leonberger würden nun in Massen dorthin pendeln. Die Unterschriften-Organisatorin Martina Gerhold sagt zu standortübergreifenden Abteilungen: „Ich kenne das schon, man ist nur noch am Rumreisen, keiner weiß Bescheid. Bei jeder Kommunikation geht etwas verloren.“ Eine andere Zuhörerin sagt: „Wie viele Chefarztstellen wollen Sie noch abbauen? Es stimmt einfach nicht, dass es bei der Gynäkologie keine Bewerber gab.“

Und so werden alle Argumente abgehandelt. Ewald Thoma von der Lärmschutz-Bürgerinitiative AGVL sagt: „Der Patient kann nicht genesen, wenn er durch Lärm und Schadstoffe von der Autobahn belastet ist.“ Rainer Waldherr aus Rutesheim glaubt, dass das eigentliche Problem in Böblingen und Sindelfingen liege: „Leonberg muss dafür die Opfer bringen.“

Ein Zuhörer schlägt gar vor, die Altkreis-Kommunen Ditzingen und Gerlingen an den Kosten zu beteiligen. „Ein fantastischer Vorschlag, meine ersten zarten Versuche sind aber gescheitert“, sagt der Landrat. So geht man nach zweieinhalb Stunden auseinander, hat viel geredet, aber kaum miteinander. Einen echten Dialog mit dem OB Bernhard Schuler gibt es nicht. Vielleicht nach der Veranstaltung, als sich beide wohl noch im Wirtshaus Sacher getroffen haben.