In schweren Zeiten sollte ein Pferdemarkt dem Gewerbe Auftrieb geben und Geld in die Stadtkasse spülen.

Leonberg - Einen närrischen Geburtstag feiert der Leonberger Pferdemarkt. Vor genau 333 Jahren hat der Herzog Friedrich Karl die Genehmigung für einen weiteren Viehmarkt in der Stadt gegeben, der sich zu einer Tradition in der Stadt am Engelberg entwickeln sollte.

 

Der Pferdemarkt als solcher wird in diesem Jahr zwar zum 326. Mal gefeiert, doch lange Zeit war man sich nicht sicher, wie oft er tatsächlich stattgefunden hat. Noch im Jahr 2013 wurde offiziell der 242. Pferdemarkt gefeiert. Doch dann hat das Stadtarchiv die Historikerin Ina Dielmann auf die Zeitreise geschickt und die hat vier Monate lang Dokumente gewälzt.

Seither gibt das Stadtarchiv Brief und Siegel darauf, dass das wichtigste Leonberger Fest in den nun 333 Jahren seines Bestehens nur acht Mal ausgefallen ist. In sechs Fällen durfte der Markt wegen der Maul- und Klauenseuche nicht stattfinden (1911, 1915, 1938, 1939, 1941 sowie 1966), ebenso nicht in den Kriegsjahren 1942 und 1945. Die früheren Chronisten hatten sich um 88 Jahre verzählt.

Der Dreißigjährige Krieg dämpft die Feierlaune

In einer Zeit, in der sich die Rolle des Pferdes radikal geändert hat und es vom Arbeitstier, vom landwirtschaftlichen und militärischen Gebrauchstier zu einem Sport- und Freizeitpartner wurde, erfreut sich der Pferdemarkt einer ungebrochenen Beliebtheit und hat auch seine überregionale Attraktivität bewahrt. Das ist einem gelungenen Nebeneinander von Unterhaltungs- und Fachprogramm zu verdanken, das einen breiten Interessentenkreis anspricht. Dieser Entwicklung trägt das fünftägige Programm Rechnung, das neben dem traditionellen Handel pferdewissenschaftliche und sportliche Veranstaltungen, Seminare, aber auch reine Sachveranstaltungen und Freizeitvergnügen umfasst. So kommt es, dass der Pferdemarkt als ein Treffen von Fachleuten beginnt und als ein großes Volksfest mit Zehntausenden von Besuchern endet.

Doch zum Feiern war der Leonberger Bürgerschaft gut drei Jahrzehnte nach dem Dreißigjährigen Krieg, einem der verheerendsten Kriege auf deutschem Boden, nicht zu Mute. Die Wirtschaft begann sich zwar langsam zu erholen, doch um die Waren der örtlichen Handwerker an die Kundschaft zu bringen, bedurfte es Märkten. Diese brachten nicht nur Geld in die Kassen der Händler, Handwerker und Gastwirte, sondern auch der Stadtsäckel profitierte. Denn auf alles, was verkauft wurde, musste eine Abgabe entrichtet werden.

Nach dem Dreißigjährigen Krieg gab es in Leonberg nur noch den Ursula-Markt im Oktober, der auch von Gerbern und Tuchmachern aus Weil der Stadt und Calw beschickt wurde. Der florierte von Jahr zu Jahr immer mehr, so dass es sinnvoll erschien, einen weiteren Markt einzurichten. Im Januar 1682 wandten sich einige Bürger im Namen der Handwerker an den herzoglichen Vogt und die Stadtobrigkeit. Die Zahl der Handwerker nehme zu, aber um ihre Erzeugnisse abzusetzen, müssten sie weite Wege auf sich nehmen. Mit einem weiteren Markt könne Abhilfe geschaffen werden, wurde argumentiert.

Eine Bürgerbefragung zur Existenz des Pferdemarkts

Doch der Leonberger Magistrat erwies sich als Bremse, weil befürchtet wurde, die Organisationskosten könnten den Stadtsäckel belasten. Doch die Bürger ließen nicht locker. Und so wurde in die Stuttgarter Residenz berichtet, dass man sich in Leonberg einen zweiten Jahrmarkt wünsche, um die städtische Wirtschaft zu beleben.

Die Leonberger argumentierten politisch sehr geschickt: Der neue Markt solle vor allem dem Pferde- und Viehhandel dienen, denn wer im Oberamt Leonberg ein Pferd kaufen wolle, müsse dies im Ausland tun, nämlich im badischen Pforzheim. Das zog in Stuttgart. Nach einer Bürgerbefragung erteilte der Herzog Friedrich Carl am 15. Januar 1684 die Genehmigung, einen zweiten Jahrmarkt, „und zwar Pferdt und Vichmarkt“ in Leonberg abzuhalten. Der etablierte sich schnell, so dass die Stadt nachsuchte, einen dritten Jahrmarkt im Frühsommer abzuhalten, hier wollte man vor allem den Wein besser vermarkten.

Darüber beschwerte sich die Stadt Calw: Es gebe zu viele Märkte, und die würden nur ausländische Krämer anziehen, die die einheimischen Anbieter unterbieten. Doch Calw konnte sich am Hof nicht durchsetzen und Leonberg bekam einen dritten Markt: Michaelis (29. September), Martini (11. November) und Lichtmess (2. Februar). Ein Fehlschlag wurde die Einführung eines Fruchtmarktes – dafür gab es bereits etablierte Märkte in Stuttgart und Ludwigsburg.

Blütezeit 19. Jahrhundert

Zu Beginn des 18. Jahrhunderts war der Leonberger Markt eigentlich ein Viehmarkt, an dem auch die Stadt kräftig mitverdiente. Für jedes Pferd, Rind, Schwein, Schaf und jede Ziege erhob sie eine Abgabe. Interessant wurde Leonberg auch für Händler aus dem Ausland. Nachgewiesen sind 1670 Kaufleute aus Savoyen, und 1710 boten Krämer aus Italien ihre Waren an.

Bevor 1730 die Textilhändler zu der zahlenmäßig größten Anbietergruppe wurde, ist aus dem Stadtarchiv zu erfahren, dass auch Buchbinder, Zirkelschmiede, Nadelmacher, Kupferschmiede und Gewürzhändler anzutreffen waren.

Schließlich wurde der Leonberger Pferdemarkt zum Zentrum des landesweiten Pferdehandels und überflügelte bald sogar den Ross- und Krämermarkt, den Herzog Eberhard Ludwig 1730 in seinem Ludwigsburg eingerichtet hatte.

Seine Blütezeit erlebte der Pferdemarkt als Umschlagplatz für Pferde im 19. Jahrhundert. Neben den Bauern war auch das Militär ein großer Abnehmer für Pferde. In Spitzenzeiten wie etwa 1837 wurden mehr als 1300 Pferde angeboten. Seine Stellung als Zentrum des Württembergischen Pferdehandels konnte Leonberg bis zum Ende des 19. Jahrhunderts behaupten. Durchschnittlich standen in einer Stadt, die bis 1900 etwa 2500 Einwohner hatte, bis zu 700 Pferde zum Verkauf. Heute sind aus Gründen der Sicherheit auf dem Marktplatz in der historischen Altstadt maximal 120 Händlerpferde zugelassen.