Die CDU im Bezirksbeirat will wissen, wie viele Rotlichtbetriebe im Leonhardsviertel genehmigt sind. Die Antwort dürfte überraschen.

Böblingen: Marc Schieferecke (eck)

S-Mitte - Dass Christdemokraten und Bordellbetreiber gleichlautende Fragen ins Rathaus schicken, dürfte eine Premiere sein. Jedenfalls die gleichlautende Kernfrage: Wie viele Bordelle sind im Leonhardsviertel in Betrieb und seit wann? Das möchte sowohl die CDU im Bezirksbeirat beantwortet haben, als auch der Bordellbetreiber John Heer – wenn auch aus unterschiedlichem Grund.

 

Für die Christdemokraten war Anlass ihrer Anfrage die Berichterstattung unserer Redaktion über das Maxim, einen der ältesten Rotlichtbetriebe im Quartier. Dessen Betreiber hatte beantragt, vor seinem Haus Gäste mit Kaffee bewirten zu dürfen. Die Schanklizenz hat er, genauso wie die meisten anderen im Leonhardsviertel. In den Erdgeschossen der Bordelle werden standardmäßig Getränke verkauft.

Wer der Unzucht Vorschub leistet, soll kein Wirt sein

Was ein Widerspruch zu geltendem Recht ist: Laut Gaststättengesetz darf Wirten keine Schankerlaubnis erteilt werden, die „dem Trunke ergeben“ sind oder die „der Unsittlichkeit Vorschub leisten“. Letzteres dürfte im Fall des Maxim unstrittig sein. Weshalb die Christdemokraten gern wüssten, seit wann das Haus als Bordell zugelassen ist.

Die Antwort wird womöglich überraschen. Nach aktueller Rechtsauffassung der Stadt gibt es in ganz Stuttgart nur ein legales Bordell, das Dreifarbenhaus neben dem Rathaus. Gemäß Polizeistatistik bedienen allerdings in gut 180 Häusern stadtweit Prostituierte Freier. Für eine Genehmigung wäre das Baurechtsamt zuständig. Das übte sich bisher ausschließlich im Verweigern entsprechender Anträge. Weshalb sich die Stadt regelmäßig mit Bordellbetreibern vor Gericht trifft. Am 10. Mai steht vor dem Verwaltungsgerichtshof in Mannheim ein nächster Termin an, weil einer von ihnen gegen die Ablehnung seines Antrags juristisch streiten will.

Weitere Prozesse werden folgen, unter anderem einer der Stadt eben gegen John Heer. Ihm hatte das Baurechtsamt die Nutzung eines seiner zwei Häuser im Leonhardsviertel für die Prostitution verboten. Die Schließung des Maxim und anderer Betriebe ist angekündigt. Dass auch deren Besitzer gegen die Verfügung vor Gericht streiten werden, gilt als ausgemacht, insbesondere die der alteingesessenen Bordelle. Die galten nach einem Beschluss des Gemeinderats aus den Achtzigern jahrzehntelang als sogenannter Altbestand und geduldet. Noch vor fünf Jahren war auch das Regierungspräsidium der Ansicht, dass im Fall des Maxim gleichsam Gewohnheitsrecht gilt. Erst im vergangenen Jahr hatte die Stadt diese Praxis für beendet erklärt.

Die Kernfrage ist: Wo sollen Rotlichtbetriebe erlaubt sein?

Was letztlich wiederum der Anlass für Heers Brief ins Rathaus war. Das fünfseitige Schreiben ist an Oberbürgermeister Fritz Kuhn adressiert und weit mehr von Ärger als von Respekt geprägt. Es endet mit einer Liste von zwölf Fragen, die Kernfrage ist die Nummer acht: Wenn selbst die Handvoll bisher gebilligter Betriebe geschlossen werden soll, wo will die Stadt künftig Bordelle erlauben?

Insbesondere sie wird unbeantwortet bleiben. Stuttgart ist die einzige Großstadt der Republik, die nach der Legalisierung der Prostitution im Jahr 2002 kein entsprechendes Konzept beschlossen hat. Was ebenfalls ein Widerspruch zu geltendem Recht ist: In Baden-Württemberg sind Bordelle in Gemeinden mit mehr als 35 000 Einwohnern erlaubt. Ein generelles Verbot wäre rechtswidrig. Städte, die bestimmte Gebiete von Rotlichtbetrieben freihalten wollen, müssen gleichzeitig verfügen, wo sie erlaubt sind. Schritt eins ist der Gemeinderat gegangen, der zweite steht aus. Bisher ist nur vage formuliert, dass Rotlichtbetriebe im Zentrum konzentriert sein sollen.

Nicht nur deswegen könnten die Gerichtsverfahren zwischen Stadt und Betreibern spannend werden. Formal ist auch das Dreifarbenhaus illegal, aus zwei Gründen: Höchstens ein Drittel der Fläche eines Hauses darf zur Prostitution genutzt werden, und auch dieses Bordell wurde nie genehmigt. Es gilt als Wohnheim für obdachlose Dirnen. Laut Baurechtsamt ist der Betrieb die Ausnahme von der Regel, weil bei der Genehmigung als Wohnheim jeder wusste, dass die Prostituierten in ihren Betten nicht nur schlafen. Dies allerdings, argumentiert Heer, gilt für alle anderen alteingesessenen Betriebe auch.