Am Ratstisch wird einmal mehr über die Rettung des Leonhardsviertels geredet. Im Viertel wird zur Rettung des Leonhardsviertels gefeiert, mit Suppe, Bier und Livemusik.

S-Mitte - Wenn alle das Gleiche fordern, muss trotzdem keine Einigkeit herrschen. „3. Version“ ist handschriftlich über einem Antrag vermerkt, den alle Fraktionen des Bezirksbeirats gemeinsam verabschieden wollen. Es geht ihnen um die Rettung des Leonhardsviertels. Formuliert, neu formuliert und umformuliert hat den Antrag der Sozialdemokrat Manuel Krauß. Aber noch immer „gibt es kleinere Formulierungsvorschläge die wir noch nicht eingearbeitet haben“, sagt er.

 

Weitere kommen hinzu. Die Grüne Renée-Maike Pfuderer wünscht sich das Wort Rahmenplan. Der Christdemokrat Andreas Müller argumentiert für den Begriff Masterplan, weil der grüne Oberbürgermeister Fritz Kuhn im gefühlten Wochenrhythmus Masterpläne ankündigt.

Der Masterplan fürs Viertel ist seit einem Jahr angekündigt

Den Masterplan zur Rettung des Leonhardsviertels hat Kuhn vor rund einem Jahr in Auftrag gegeben. Zuletzt war die Flamme unter dem kommunalpolitischen Dauerköchler wieder einmal aufgelodert, weil die Stadt drei historische Häuser im Quartier aus ihrem Eigentum ihrer Wohnbaugesellschaft SWSG zuschieben wollte. Fast 2000 Stuttgarter haben auf einer Online-Petition gegen den Verkauf unterschrieben. In seltener Eintracht standen die Namen von Bordellbetreibern unter denen von Aktivistinnen der Frauenrechtsorganisation terre des femmes. Die Entscheidung ist vertagt, aber nicht für lang. Daran, dass der Verkauf trotz Protest beschlossen wird, herrscht wenig Zweifel.

Eben dies ist der Anlass für jenen Antrag, der im Grunde schon ein Rahmen- oder Masterplan ist und das Bohnenviertel gleich mit einschließt. 18 Forderungen sind vermerkt. Die Liste beginnt bei einer besseren Beleuchtung. Sie endet mit der Schließung illegaler Bordelle. Wozu vorab passt, was die Bezirksvorsteherin Veronika Kienzle später gleichsam als Fazit formuliert: „Warum die Stadt dagegen nicht vorgeht, versteht niemand auf der Straße.“

Die Debatte verschiebt sich in Richtung Grundsätzliches. Der Forderungskatalog gliedert sich in zwei Blöcke. Der erste befasst sich mit dem künftigen Umgang der SWSG mit Immobilien im Quartier, der zweite mit Ideen zum Städtebau. Womöglich wäre es sinnvoller, die Blöcke zu tauschen, meint der Grüne Martin Ruoff.

Jene Petition hatte Heinrich Huth angestoßen, der im Quartier arbeitet und lebt. Mittlerweile sitzt er mit am Ratstisch, für die SPD. Aber nicht während dieses Ringens um die richtige Wortwahl. Er hört die Vorschläge auf einem Zuschauerplatz, seiner möglichen Befangenheit wegen. Er gehört zu denjenigen, die sich zur Gruppe „Unsere Altstadt“ zusammengeschlossen haben. Auch ihnen geht es um die Rettung des Leonhardsviertels. Allerdings wollen die Gründer keine Gremien, Tagesordnungen, Strukturen, sie wollen auch kein Verein sein. Formalien behindern, das ist der Grundgedanke. Sie treffen sich am Stammtisch, nicht zum Diskutieren, zum Machen.

Der Straßenstrich verdrückt sich

Am Samstag veranstalten sie wieder ein Straßenfest, ihr drittes, bei dem es Suppe, Bier und Livemusik gibt. Wenn der gemeine Stuttgarter ins Revier kommt und die Leonhardstraße belebt, verdrückt sich der Straßenstrich in die Winkel zwischen den illegalen Bordellen. So war es bei der ersten Suppenküche und beim Schmuddelbankett, dem Sommerfest. So könnte es immer sein, wenn weniger debattiert, mehr gemacht würde. Protest gegen Tatenlosigkeit im Rathaus ist der Hintersinn der Feste.

Stuttgarts Altstadt ist sehenswert, aber ihr Ruf ist lausig. Nicht im Wortlaut, aber im Grundsatz steht es so im Antrag, den die Bezirksbeiräte letztlich und tatsächlich einstimmig verabschieden. Die Stadt möge Führungen durchs Bohnen- und Leonhardsviertel veranstalten, um das Image zu verbessern. Wer sich tatsächlich für die Geschichte der Quartiere interessiert, muss allerdings nicht unbedingt warten, bis der Antrag amtlich bearbeitet ist. „Vielleicht 2017, 2018“, schätzt Kienzle, ist mit habhaften Ergebnissen zu rechnen – vielleicht.

Zufällig, aber passend zum Suppenfest, veranstaltet der Antiquar Robert Tetzlaff am Samstag eine seiner Führungen durchs Bohnenviertel und hinein ins Leonhardsviertel. Am Freitag darauf führt Bernd Möbs Geschichtsinteressierte durch die Altstadt, eine Wochen später die Historikerin Silke Amos.

FESTE UND FÜHRUNGEN:

Das Suppenfest am oberen Ende der Leonhardstraße beginnt am Samstag, 11. Oktober, um 13 und endet um 18 Uhr. Treffpunkt für den Altstadtrundgang am selben Tag ist um 15 Uhr an der Ecke Esslinger- und Kanalstraße. Anmeldungen sind unnötig.

Näheres steht unter www.buch-plakat.de. Informationen zu den anderen Führungen gibt es unter www.bernd-moebs.de und www.kulturfuehrungen.de, zur Altstadtinitiative unter www.staedtle.de.