Oberbürgermeister Fritz Kuhn sieht erste Erfolge im Kampf gegen die Armutsprostitution. Kritik kommt von der SPD. Um „das Leonhardsviertel zu stärken“, will Baubürgermeister Matthias Hahn außerdem die Zahl der Bordelle halbieren.

Stuttgart - OB Fritz Kuhn (Grüne) hat sich im Kampf gegen die Armutsprostitution und zur Rettung der Altstadt der Rückendeckung aller Fraktionen versichert. Im Technischen Ausschuss kündigte der OB, flankiert von Bürgermeistern und dem Polizeipräsidenten Franz Lutz, an, das Leonhardsviertel mit den verschiedensten Maßnahmen „zurückzuerobern“. An die Bordellbesitzer erging die Warnung: „Es wird jetzt ungemütlicher.“

 

Laut Lutz haben die Profiteure das schon zu spüren bekommen. 13 Beamte hätten den Kontrolldruck erhöht. Wirkung zeige auch die Idee des Anwohneranwalts Roland Kugler, Hotelbetreibern mit einer Gewerbeuntersagung wegen Unzuverlässigkeit zu drohen, falls ihre Gäste – die Prostituierten – weiter vor den Gebäuden verbotswidrig anschafften. Statt bis dahin etwa 90 Frauen seien inzwischen nur noch rund 70 auffällig. Am Dienstag präsentierten zudem Werbeagenturen ihre Vorschläge für ein an Freier gerichtetes Flugblatt. Dafür sind 90 000 Euro vorgesehen. Fachleute stehen diesem Projekt allerdings skeptisch gegenüber: Die Männer seien ja nicht kopfgesteuert.

AfD handelt sich eine Absage ein

Eine klare Absage erging an die Alternative für Deutschland (AfD). Stadtrat Eberhard Brett will die Prostitution auf den Altstadtkern konzentrieren und aus dem Leonhardsviertel ein Klein-St.Pauli machen. Einen der Vorschläge Kuhns, Immobilien zu erwerben, um eine bessere Durchmischung des Gebiets durch unbedenkliche Nutzungen zu erzielen, lehnt Brett ab.

Im Grundsatz sagten aber alle Parteien ihre Unterstützung zu und lobten die in einem mehrseitigen Konzept festgehaltene konzertierte Aktion gegen die sexuelle Ausbeutung vor allem junger Frauen aus Osteuropa und für eine Wiederbelegung der Altstadt. Neben kritischen Anmerkungen dazu, dass viel zu lange zu wenig gegen die Auswüchse getan worden sei, gab es erneut die Forderung der SPD, in dem städtische Papier auch konkret erweiterte Hilfsangebote für die Prostituierten aufzunehmen. „Da muss man mehr tun“, sagte Fraktionschef Martin Körner, der zudem forderte, den Kontrolldruck auf Bordellbetriebe jenseits der Innenstadt zu verstärken.

OB reagiert erbost auf Kritik

Bisher sei vor allem von städtebaulichen und ordnungspolitischen Maßnahmen zur Verbesserung der Lage im Viertel die Rede, weniger von einer Optimierung der Situation für die Betroffenen. Sozialbürgemeisterin Isabel Fezer (FDP) verwies zwar auf ihre Bemühungen und auf ein enges Netz von Hilfsorganisationen. Stadträtin Judith Vowinkel forderte dennoch die Verdoppelung der Hilfe für den Ausstiegs-„Plan P“ des Frauenunternehmens Zora sowie Geld für die Schaffung von Wohnraum für Ausstiegswillige und den Ausbau der medizinischen Versorgung.

OB Kuhn reagierte erbost auf die Kritik: Es sei kontraproduktiv, „wie Sie jetzt das Konzept runtermachen“. Die Stadt sei in der Offensive. Auf Unverständnis stieß auch die Anmerkung Judith Vowinkels, die Straßenprostitution habe für die Frauen wenigstens den Vorteil, sich den Partner aussuchen zu können. Sie wolle darauf hinweisen, dass das Strategieziel nicht nur Vorteile haben, so die Stadträtin. In Hinterzimmern seien Prostituierte den Freiern jedenfalls schutzloser ausgeliefert als auf der Straße. Polizeichef Franz Lutz widersprach: Das Risiko, in einer Wohnung Opfer von Gewalt zu werden, sei dreimal niedriger als auf der Straße.

Baubürgermeister will Zahl der Bordelle halbieren

Um „das charmante Viertel zu stärken“, will Baubürgermeister Matthias Hahn (SPD) die Zahl der 14 Bordelle halbieren. OB Kuhn verwies aber auf die Probleme bei der Untersagung. Das Geschick von Hausbesitzern und Bordellbetreibern, Gerichtsprozesse zu verzögern, sei erstaunlich. SPD und CDU wäre mehr Entschlossenheit bei diesem Thema nicht unrecht. Es sei doch anzunehmen, dass in diesen Häusern die hygienischen, gesundheitlichen oder sicherheitsbezogenen Voraussetzungen nicht immer erfüllt seien. Würde das Etablissement geschlossen, läge der Ball im gegnerischen Feld. Wenn wegen fehlenden Brandschutzes eine Kita sofort geschlossen werden könne, müsse das auch bei einem Bordell möglich sein, glaubt jedenfalls Beate Bulle-Schmid (CDU).