Fritz Kuhn will stärker gegen die illegale Prostitution im Leonhardsviertel vorgehen. Zudem soll die Stadt mehr Häuser kaufen, um die Abwärtsspirale des Quartiers zu stoppen. Ein komplettes Verbot der Bordelle soll es aber nicht geben.

Stuttgart - Manchen Anwohnern des Leonhardsviertels ist es jetzt zu bunt geworden: Sie wollen die Belästigungen durch den eigentlich unerlaubten Straßenstrich in der Katharinenstraße nicht länger ertragen und haben den Rechtsanwalt Roland Kugler eingeschaltet. Die Prostituierten würden sich bis spät nachts lautstark unterhalten und den Freiern nachrufen; auch sei eine 15-jährige Bewohnerin schon mehrfach auf eindeutige Weise angesprochen worden. Die Anwohner fordern nun Stadt und Polizei auf, endlich gegen die Belästigungen vorzugehen. Bisher habe die Stadt immer viel versprochen: „Aber einen Erfolg konnten wir nicht erkennen“, so Roland Kugler.

 

Tatsächlich ist das Leonhardsviertel, das als einziges Quartier der Innenstadt noch in größerer Zahl historische Bausubstanz besitzt und ein Schmuckstück sein könnte, seit Jahren ein Sorgenkind Stuttgarts. Die Anwohner fühlen sich zunehmend unwohl, viele schöne Gebäude verfallen, vor den Häusern türmt sich Müll – und auch die Ausbeutung der Prostituierten könne nicht hingenommen werden, sagt die Bezirksvorsteherin Veronika Kienzle.

Doch nun will OB Fritz Kuhn (Grüne) demnächst das lang erwartete Konzept für das Leonhardsviertel vorlegen – er hat das Thema zur Chefsache gemacht. Im Moment ist das Papier in der internen Abstimmung. Ein wichtiger Punkt sei, so sagt Fritz Kuhn auf Anfrage der StZ, dass man bei den illegalen Bordellen künftig den Gerichtsweg konsequent beschreiten wolle – bisher hat die Stadt dies nicht immer getan, da oft jahrelange Prozesse mit unsicherem Ausgang zu befürchten waren.

Die Stadt besteht auf legale Nutzung

Diese Ankündigung Kuhns soll auch ein Signal an die Eigentümer der Häuser sein, dass die Stadt auf legale Nutzungen bestehen will. Mehrere Eigentümer hatten zuletzt die Stadt aufgefordert, endlich klar zu sagen, in welche Richtung sich das Leonhardsviertel entwickeln soll. In der Tat war auch ein anderes Konzept diskutiert worden: Das Quartier sollte zu einem Bezirk werden, in dem alle Bordelle legalisiert werden; dafür hätte es außerhalb keine Prostitution mehr geben dürfen. Dieser Plan sei endgültig vom Tisch, so Kuhn.

Weiter müsse die Stadt Gebäude im Rotlichtviertel kaufen, wenn es möglich sei, sagte der Oberbürgermeister weiter. Nur so könne man selbst zum Akteur werden und mehr normale Wohnungen einrichten. Ein Beispiel sei das Gebäude an der Weberstraße, in dem bisher die Gaststätte Finkennest war: Es gehört nun der SWSG; dort könne er sich ein Studentenwohnheim vorstellen.

Daneben will Fritz Kuhn eine professionelle Kampagne in Auftrag geben, die sich an die Freier richtet: Auch sie hätten eine Verantwortung, vor allem was die Ausbeutung von Minderjährigen und die Armutsprostitution insgesamt angehe. Eine regelmäßige Zwangsuntersuchung für Prostituierte, wie sie bundesweit diskutiert wird, lehnt die Stadt mittlerweile ab: Wer zwangsweise zum Arzt komme, sei nicht offen für Beratung und sonstige Angebote.

Das Papier sei überfällig, sagt Kienzle

Die Bezirksvorsteherin Veronika Kienzle, die sich seit vielen Jahren für das Viertel einsetzt, findet das neue Konzept in weiten Teilen gut: „Da ist eine ganze Reihe wichtiger Maßnahmen drin“, sagt sie. Entscheidend sei, dass die Stadt Häuser kaufe oder miete. Das Papier des Oberbürgermeisters sei aber überfällig – und sie erwarte auch, dass der Bezirksbeirat Mitte nun noch einbezogen werde.

Fritz Kuhn hat angekündigt, sich verstärkt für das Quartier einzusetzen: „Das ziehe ich jetzt durch. Prostitution im Leonhardsviertel soll es weiter geben, aber sie darf nicht alles dominieren.“ Zur Vorbereitung des neuen Ansatzes hat es bereits Gespräche zwischen der Rathausspitze und der Polizei gegeben. Denn die Stuttgarter Polizei verfügt über eine Besonderheit, die Dienststelle Prostitution, die sich ausschließlich um dieses Thema kümmert.

„Rund um die Uhr sind immer zwei Beamte im Einsatz“, sagt der Polizeisprecher Thomas Geiger. Natürlich wissen die Ermittler auch, dass ihr Einwirken Grenzen hat: „Selbstverständlich kennt man unsere Beamten. Wenn die um die Ecke kommen, dann verschwinden alle Frauen vom illegalen Straßenstrich sofort im Haus.“

Freie sagen nicht aus

Die Polizei ahnde Verstöße gegen das Verbot des Straßenstriches. Doch auch hier gibt es Grenzen. „Die ersten zwei Verstöße sind eine Ordnungswidrigkeit, da werden Geldstrafen verhängt“, erläutert der Beamte. Bei weiteren Verstößen ergebe sich ein Straftatbestand. „Der lässt sich aber nur mit Zeugen nachweisen“, so Geiger. Freier seien in der Regel nicht bereit, auszusagen. „Da muss dann schon mal eine Prostituierte einen Polizeibeamten in Zivil ansprechen, den sie noch nicht kennt.“ Vollständig bekämpfen lasse sich die illegale Prostitution nicht: „Da müssten Sie schon vor jede Absteige dauerhaft einen Polizisten stellen.“

Die Ordnungshüter appellieren auch an die Kunden der Prostituierten: „Solange es Freier gibt, die nur 15 Euro bezahlen wollen, wird es auch Armutsprostitution und einen Straßenstrich geben“, sagt Geiger.