Die Stuttgarter Bürger sind sich einig: Die Stadt muss das politische Steuer herumwerfen, um das Leonhardsviertel zu retten.

Stuttgart - Die sympathische Galeristin und der von seiner Kunst durchdrungene Fotograf sehen Licht und Schatten: "Wir sind bewusst in die Weberstraße gezogen, das Viertel ist reizvoll. Leider zeigt das Rotlicht aber immer mehr seine hässliche Seite." Soll heißen: der Straßenstrich wachse, auf den engen Gassen liege der Müll, der nächtliche Lärm sei oft unerträglich, die alten Häuser verkämen zusehends - die Stadt, so ihr Eindruck, habe das Leonhardsviertel abgeschrieben und aufgegeben. Doch auf dem Rathaus heißt es: "Das stimmt so nicht, wir tun etwas."

Wolfgang Hohmann kennt sich aus, dem Chef der Sittenpolizei macht beim Thema Rotlichtviertel niemand etwas vor: "Bei uns sind rund 4000 Prostituierte registriert. Die meist sehr jungen Damen kommen aus Osteuropa - aus Ungarn vor allem, aber auch aus Rumänien, Bulgarien, Tschechien und der Slowakei." Ihre sexuelle Dienstleistung könne Mann schon für 20 bis 30 Euro bekommen - die etablierten Bar- und Bordellbetreiber schimpften heftig über das reisende Gewerbe, denn es mache ihnen die Preise kaputt.

Der Polizeibeamte sagt: "Der Straßenstrich ist eine Ordnungswidrigkeit, im wiederholten Falle eine Straftat." Aber die verhängten Gelder einzutreiben oder die Zuhälter dingfest zu machen, sei kaum möglich, "denn die jungen Frauen werden in Kleinbussen hierher gebracht, schaffen nur ein paar Wochen im Quartier an - wenn den Zuhältern unser Druck zu stark wird, ziehen sie mit ihren Damen einfach weiter". Wer sich als Freier im Viertel blicken lasse, der müsse mit einem sogenannten Platzverweis durch die Polizei rechnen, samt peinlichem Brief an die heimatliche Adresse. Wer aber keinen festen Wohnsitz habe, der könne durch die Maschen der Ordnungshüter schlüpfen. Auch er, so gesteht Wolfgang Hohmann, habe "den Eindruck, dass die Stadt im Rotlichtviertel keine klare Linie verfolgt".

Ein "runder Tisch" im Rathaus nahm sich den Problemen an


Genau so sieht das auch Veronika Kienzle, die Bezirksvorsteherin der Innenstadt. Die Frau mit dem grünen Parteibuch sagt: "Das Leonhardsviertel gilt eigentlich als Sanierungsgebiet - die Stadt wollte damit das Wohnen stärken, die Altbausubstanz erhalten, die Stadtkultur fördern und das Wohnumfeld verbessern." Doch aus all dem sei nicht viel geworden, im Gegenteil: "Die Stadt hat ihre Immobilien im Quartier verkauft und leider nicht verhindert, dass alte Mieter hinausgedrängt wurden - zugunsten von gewerblicher Zimmervermietung". Hinter diesem Begriff verberge sich nichts anderes als die Prostitution.