Nach sieben Jahren ist Schluss. Das Lernzentrum muss schließen. Denn trotz intensiver Sucher hat der Betreiber, das Sozialunternehmen Neue Arbeit, keine neuen Fördertöpfe auftreiben können.

Stadtleben und Stadtkultur : Alexandra Kratz (atz)

Fasanenhof – Drei Schüler stehen vor der Tür des Lernzentrums. Ein Mädchen möchte was abgeben, die anderen beiden wollen wissen, ob sie rein können. Schnell werden die wichtigsten Fragen geklärt. Die Mitarbeiter haben gerade wenig Zeit. Denn nebenan im Gemeindesaal feiern sie Abschied: Abschied vom Lernzentrum. Die Einrichtung schließt.

 

Heute laufen die Verträge der sechs Mitarbeiter aus. Es waren sogenannten Bürger-Arbeitsverträge, das Sozialunternehmen Neue Arbeit war der Arbeitgeber. Doch das Lernzentrum auf dem Fasanenhof war ein Zuschussgeschäft. „Wir haben es über Jahre hinweg weitergeführt, obwohl es nicht mehr kostendeckend war. Und zwar in der Hoffnung, dass uns der Gemeinderat oder das Job-Center Zuschüsse gewähren“, sagte Hans-Ulrich Rabeneick. Der stellvertretende Geschäftsführer der Neuen Arbeit war am Mittwoch eigens zu der Veranstaltung im Gemeindezentrum am Bonhoefferweg gekommen.

Doch die Hoffnung auf Zuschüsse hat sich nicht erfüllt. 2007 war die Idee von einem Lernzentrum auf dem Fasanenhof aufgekommen. Im Rahmen des Bund-Länder-Programms Die soziale Stadt beantragte die Neue Arbeit Fördergeld, und hatte Erfolg. 2008 konnte das Sozialunternehmen die Räume am alten Europaplatz eröffnen. „Der Standort war ideal. Viele Leute kamen vorbei und irgendwann zu uns hinein“, sagte Rabeneick. Nach drei Jahren lief die Förderung 2010 aus.

Neue Heimat im evangelischen Gemeindezentrum

Doch die Neue Arbeit hielt an dem Angebot fest. Das Lernzentrum zog um. Im evangelischen Gemeindezentrum am Bonhoefferweg fand es eine neue und erschwingliche Heimat. Am Europaplatz hätte man wegen der geplanten Neubebauung sowieso nicht bleiben können. Das Bundesarbeitsministerium rief die Bürgerarbeit ins Leben, die aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds finanziert wurde. Die Bürgerarbeit muss gemeinnützig sein und darf keine regulären Jobs verdrängen. Die Beschäftigten werden sozialversicherungspflichtig für drei Jahre angestellt. Das Ziel ist die Integration in den ersten Arbeitsmarkt. Im Rahmen dieses Projekts konnte die Neue Arbeit sechs Mitarbeiter für das Lernzentrum einstellen. Doch nun hat auch diese Förderung ein Ende.

Mit den Lernzentren verfolgt die Neue Arbeit das Ziel, allen Menschen im Stadtteil den Zugang zu mehr Bildung zu ermöglichen. „So soll die soziale Benachteiligung einzelner Menschen oder Gruppen minimiert werden“, sagte Klaus Zimmer, der bei dem Sozialunternehmen für die Abteilung Bildung verantwortlich zeichnet. Die Mitarbeiter halfen Schülern bei den Hausaufgaben und der Vorbereitung auf Klausuren. Sie zeigten Senioren, wie ein Computer funktioniert und boten Sprachkurse an. Arbeitssuchende konnten im Lernzentrum ihre Bewerbung schreiben.

Klaus Zimmer hat nachgezählt: Rund 1400 Menschen haben das Lernzentrum seit 2008 besucht. „Manche Kinder haben wir von der Einschulung bis heute begleitet. Für sie ergibt sich nun vielleicht das ein oder andere Fragezeichen“, sagte Zimmer. Auch Pfarrer Jürgen Spohn sprach von einem traurigen Tag. Die Gemeinde und das Lernzentrum seien in den vergangenen drei Jahren Hausgenossen und gute Partner gewesen. „Sie waren voll integriert“, sagte Spohn. Es sei schade, dass sich derzeit keine Alternative zur Schließung des Lernzentrums aufzeige. „Wir würden uns freuen, wenn sich im Herbst vielleicht doch noch was ergibt“, sagte Spohn. Die Gemeinde stehe hinter dem Projekt. „Wir würden gern helfen, sollte es weitergehen.“

Für die Mitarbeiter muss es irgendwie weitergehen

Für die Mitarbeiter des Lernzentrums muss es weitergehen. Die sechs Frauen und Männer haben sich umgeschaut und nach Alternativen gesucht. Paul Borgenz wird künftig im Auftrag der Gemeinde zumindest noch einmal in der Woche zu einem Sprachcafé in die Räume am Bonhoefferweg einladen. Eleonore Kühn hat noch einen Job im Lernzentrum im Hallschlag. Walter Irion wird künftig in einer privaten Wohnung in Bad Cannstatt zu einem Computer-Stammtisch einladen. Das habe ihm der Eigentümer der Wohnung angeboten. Michael Köpfler macht demnächst eine Umschulung zum Fachinformatiker.

Den Nutzern des Lernzentrums, darunter auch die drei Kinder, die gestern Mittag schon vor der Tür warteten, nutzt das alles freilich wenig. „Einige Mädchen und Jungen haben täglich mit uns gelernt. Wir waren wie eine kleine Familie“, sagt Eleonore Kühn mit trauriger Stimme.