Die Stuttgarter Wengerter haben einen Großteil der Trauben gelesen und sind von der Qualität des Rohstoffs angetan. Doch lässt sich daraus bereits auf einen guten Jahrgang schließen?

Stuttgart - Der Kellermeister meldet Vollzug: „Bis Ende dieser Woche sind wir mit der Lese durch – abgesehen von ein paar Spezialitäten wie dem Cabernet Franc oder einigen besonderen Rieslingen“, erzählt Jürgen Off. Damit beendet die Weinmanufaktur Untertürkheim ihre Lese in diesem Jahr etwa zehn Tage früher als in einem gewöhnlichen Jahr – und der Kellermeister Jürgen Off sieht dem Ergebnis „entspannt und zuversichtlich“ entgegen. Wie das Naturprodukt Wein ausfällt, hängt auch von der Witterung ab – der Jahrgang 2015 wird unter anderem von einem überdurchschnittlich sonnigen und trockenen Sommer und Herbst geprägt sein.

 

Bei der Lese hat die Witterung den Wengertern vieles erleichtert. „Wir hatten zu hundert Prozent gesunde Trauben draußen“, erzählt Jürgen Off. „Daher ging die Lese deutlich schneller als sonst.“ An vielen der vergangenen Tage glichen die Weinberge in Stuttgart einem Bienenstock: Es summte vor Betriebsamkeit, allein für die Weinmanufaktur Untertürkheim waren 20 Betriebe im Einsatz. Jürgen Off schätzt, dass an den Spitzentagen rund 250 Mitarbeiter mit der Lese beschäftigt waren. Aufgrund der Trockenheit fallen in diesem Jahr viele Beeren kleiner aus als üblich. Infolgedessen wird der Ertrag der Wengerter sinken. Off schätzt, dass er zehn bis 20 Prozent unter jenem des Vorjahrs liegen könnte.

Auch unweit von Untertürkheim biegen die Wengerter vom Collegium Wirtemberg bei der diesjährigen Lese auf die Zielgerade ein. „Wir sind mit 70 Prozent der Lese durch“, sagt Martin Kurrle, der Geschäftsführer des Collegium Wirtemberg. „Diesmal haben wir weniger Personal als üblich gebraucht, weil es bei den Beeren weniger wegzuschneiden gab.“ Kurrle hofft auf „tolle aromatische Weine“ des Jahrgangs, aber er will nicht zu früh jubeln. Erst nach der Gärung könne er mehr über den Charakter der Weine sagen.

Bürgermeister arbeiten im Weinberg mit

Beim städtischen Weingut bemüht dessen Leiter Bernhard Nanz einen Dreisatz: der heiße Sommer, der trockene Herbst und die gesunden Trauben – diese Kombination sollte zu einem Spitzenjahrgang führen. Nanz rechnet in diesem Jahr mit deutlich mehr als 100 000 Liter Wein von den Flächen des städtischen Weinguts. Am vergangenen Wochenende bekam das Weingut prominente Unterstützung. Am Samstag waren Bürgermeister und Amtsleiter, sowie aktuelle und ehemalige Stadträte in den Weinbergen unterwegs. Sie lasen im städtischen Weinberg Mönchhalde gut 5000 Kilo Lemberger, was einer Menge von rund 4000 Litern entspricht. „Es ist ein super Lemberger-Jahrgang“, prophezeit Bernhard Nanz. „Hier stimmen Menge und Spitzenqualität überein.“

Vor den Promis hatten viele ehrenamtliche Lesehelfer dafür gesorgt, dass als Zwischenbilanz bis jetzt 85 000 Liter Most im Keller auf ihre Gärung warten. Genau wie bei der Weinmanufaktur Untertürkheim und beim Collegium Wirtemberg hatte beim städtischen Weingut diese Lese früher als in den vergangenen Jahren begonnen. Bereits am Mittwoch will Nanz mit der Lese fertig sein – ihm fehlen nur noch Trollingertrauben von der Weinsteige und aus der Mönchhalde sowie der St. Laurent, der ebenfalls in der Mönchhalde wächst.

Im Vorjahr hatte die Kirschessigfliege den Wengertern das Leben schwer gemacht und die Ernte erheblich geschädigt – in diesem Jahr spielte sie dank der trocken-heißen Witterung im Sommer keine Rolle. Was Bernhard Nanz konkret erwartet: komplexe Rot- und duftige Weißweine.