Die StZ-Weinkolumnisten Holger Gayer und Harald Beck haben im Stuttgarter Weindorf nach authentischen Tropfen gefahndet.

Stuttgart - Ferienzeit. Da möchte man doch meinen, dass sich halb Stuttgart noch in Griechenland, Spanien, am Genfer See oder auf den Malediven räkelt. Pfeifendeckel, an diesem zur Abwechslung mal lauen Sommerabend sind sie gefühlt allesamt beim Weindorf. Kein Durchkommen am Schillerplatz, Körperkontakt im Übermaß und kaum eine Chance, direkt zu einer der Weinquellen vorzudringen. Da hat es die Kollegin Haasis mit Sicherheit leichter, an einen schönen Tropfen zu kommen – die hockt nämlich auf Sizilien rum.

 

Was wiederum das Lesestoff-Restteam erst recht animiert hat, sich auf dem Weindorf mal so richtig um den ansonsten von der Kollegin betreuten Wein aus der Landeshauptstadt zu kümmern – natürlich nicht ohne daran zu denken, was die liebe Frau Haasis von dem einen oder anderen Tropfen wohl halten würde.

Schillerplatz also, wir haben uns zur Weindorfwirtin vorgekämpft und stoßen bei der Familie Schmieg auf die 2013er Cuvée Blanc des Collegium Wirtemberg. Eine ambitionierte Assemblage aus Weißburgunder, Justinus K. (ein Kerner also) und Sauvignon Blanc mit deftigen 13,5 Volumenprozent Alkohol. Kräftiger Weißwein mit interessanten Aromanoten bis hin zu Kräutern, bei 3,80 Euro fürs Zehntele. Da hätte mit Sicherheit auch die Kollegin ihren Spaß am international ausgerichteten Stuttgarter Weißen gehabt.

Nachdenken übers Preisniveau

Ob das für die Riesling-Spätlese von der Zaißerei ebenfalls gilt, bezweifeln wir allerdings entschieden. Glatte vier Euro kostet das 0,1-Liter-Glas. Dafür steigt zunächst ein unangenehmer Duft in die Nase, der sich mit der Zeit zum Glück in der Weindorfluft verliert. Zweiter Schluck trinkbar, aber ein Anlass, etwas übers Preisniveau zu sinnieren. Am selben Stand werden die Zehntele aus der sehr anständigen St.-Michaels-Serie der WG Cleebronn-Güglingen für 2,50 Euro angeboten. Und bei den Schorndorfer Weintagen gibt es ebenbürtige Weine schon ab 1,50 Euro.

Zurück zum Stuttgarter Wein: Auf den vielversprechenden Namen Johanna hört da eine in Schmücker’s Ox servierte 2013er Weißweincuvée aus dem Hause Wöhrwag in Untertürkheim. Extra frisch und jung ist diese Jungfrau, deutliche Zitrusnote und eine jugendlich knackige Säure. Da erscheinen die 4,40 fürs Gläsle schon eher ordentlich angelegt – nicht zuletzt wegen der Erkenntnis, dass die neue Freundin Johanna für Hans-Peters Wörwags Weinstil durchaus eine Überraschung ist.

Mönch Berthold als Favorit

Noch besser zum Ochs mit Krautsalat passt die rote Ox-Cuvée (4,60 Euro), die sich bei näherer Betrachtung als Mönch Berthold von der Weinmanufaktur Untertürkheim entpuppt. Der Mix aus Spätburgunder, Lemberger und den neuen Cabernets wird mutig kühl serviert. Er duftet nach Cassis und hat Körper und Kraft. Zwischenfazit: der bisher beste Wein im Dorf.

Ein sehr ordentliches Preisleistungsverhältnis weist der einfache Lemberger der Bad Cannstatter Genossen auf: Beim Schmieg kostet das Zehntele 3,50 Euro. Dafür gibt’s einen leichten, aber dennoch fruchtig-kräutrigen Wein, der auch den ungeübteren Genießer zufriedenstellen wird.

Freunde des lieblichen Getränks können sich derweil an die Dachswald-Laube begeben. Als Spezialität kredenzen Christian und Konrad Zaiß dort zum Beispiel einen weiß gekelterten Trollinger (2,70 Euro fürs Glas), den junge Leute bestimmt mögen. Uns war’s zu zuckersirupartig. Aber wir sind ja auch nicht die Zielgruppe.

400 Hektar Rebfläche in Stuttgart

Worauf wir uns aber verständigen können, ist der Weinsteige Rosé vom städtischen Weingut, den die Ratskeller-Laube am Marktplatz für 3,90 Euro pro Zehntele ausschenkt. Ganz unkompliziert, mit einer schönen Frucht und stabilem Rückgrat ist er der passende Begleiter für den stolzen Stuttgarter, der den Auswärtigen hier die Geschichte der „Weinhauptstadt Deutschlands“ (OB Fritz Kuhn) erzählen kann, die als einzige Metropole ein eigenes Weingut unterhält. Außerdem könnte man mit dem Wissen protzen, dass die 600 000-Einwohnerstadt Stuttgart auf 400 Hektar Rebfläche vorhält. Man muss ja nicht zusätzlich erwähnen, dass allein das Schwarzriesling-Städtchen Lauffen bei nur 11 000 Seelen gut 600 Hektar Rebfläche hat. . .

Dorthin hat übrigens das Mühlhäuser Weingut Rux vorzügliche Verbindungen. Zusammen mit dem Lauffener Kollegen Michael Schiefer und zwei weiteren Betrieben bilden die Rux’ eine Einheit namens Quintessenz. In Rauschenbergers Laube auf dem Marktplatz kann man für vier Euro den neuen Rux-Riesling probieren: ein kräftiger Tropfen mit ein bisschen zu viel Zitrus und Restsüße, aber einer feinen Mineralik, die ihn schön schlank hält.

Den schlichten, einfachen Trollinger für drei Euro je Zehntele, den haben wir im Dreimädlehaus bei den Currles gefunden. Ein Gläsle vom Fass, mit einem gradlinigen Zechwein, der keine großen Ansprüche erhebt, aber als leichter Roter gut zum Sommerabend passt. Und gleich nebenan ist uns als eher untypischer Schwabe in der Weinlaube Ruoff deren Auxerrois aufgefallen (3,50, 0,1l). Ein an Weißburgunder erinnernder frischer Tropfen. Da ist Leben drin, richtig nett.

Das Nettsein wiederum ist nicht das Hauptanliegen des 2012 St. Laurent vom Collegium Wirtemberg, auf den wir bei unserem nächsten Laubenstopp stoßen. Kräftiger Duft, deutliche Kante, nicht zuletzt durch viel Gerbstoff. Vier Euro kostet das Zehntele des charaktervollen Tropfens mit etwas derber Säure. Nochmals 2,50 Euro drauflegen muss, wer wie wir bei unserer Endstation des Weindorf-Rundgangs in der Laube namens Wilder Wein ankommt und sich dort ein Zehntele des 6,50 Euro teuren 2012er Merlot ** der Weinmanufaktur Untertürkheim leistet. Leichter Holzton, kräftige Aromen, ein geschmeidiger Muskelprotz. Aber wir bleiben dabei, der Mönch Berthold ist aktuell unser Stuttgarter Favorit, und wir sind uns sicher, dass auch die Weinfreundin Haasis mit diesem Votum leben könnte. Oder?