Schüler der Hasenbergschule waren beim Lesewettbewerb der Förderschulen unter den Ersten.

S-West/Bad Cannstatt - Das Lesepult wird von einer Stehlampe beleuchtet, der Blumenschmuck rechts und links von den Vorlesenden sorgt für eine anheimelnde Atmosphäre. Auch die fünfköpfige Jury am langen Tisch an der Seite schaut mit freundlichem Lächeln auf die Mädchen und Jungen, die am ersten Lesewettbewerb der Stuttgarter Förderschulen teilnehmen. Gastgeber ist die Cannstatter Steigschule, an der die Idee zu diesem Lese-Contest entstanden ist. Es ist ein Wettkampf, doch Aufregung soll gar nicht erst aufkommen, denn es geht weniger um den Sieg als um den Mut zum Mitmachen.

 

Konzentration und Lampenfieber

An den Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren mit dem Förderschwerpunkt Lernen, wie die Förderschulen neuerdings auf Amtsdeutsch heißen, werden Kinder mit umfassenden und lang andauernden Lernproblemen und Entwicklungsverzögerungen betreut. An der Hasenbergschule beispielsweise gibt es derzeit fünf Klassen mit jeweils neun bis dreizehn Schülern. Etwa die Hälfte der Kinder besucht mit Unterstützung von Sonderschulpädagogen den inklusiven Unterricht an Regelschulen.

Wer vermutet hatte, bei einem Wettbewerb dieser Art auf ein besonders unruhiges Publikum zu stoßen, musste sich eines Besseren belehren lassen. Konzentriert und aufmerksam folgten die jungen Zuhörer den Vorträgen ihrer Gegner. Sie hatten bei den schulinternen Vorentscheiden selbst die Erfahrung gemacht, dass ein aufmerksames Publikum das Lampenfieber mildert. An jeder der elf beteiligten Schulen waren drei Stufensieger ermittelt worden: für die Grundstufe (Klassen eins bis vier), für die Hauptstufe I (fünfte und sechste Klassen) und für die Hauptstufe II (siebte bis neunte Klassen). Die Gewinner durften sich nun in der Steigschule stuttgartweit messen.

Zwei Wochen lang hatten sich die Kinder intensiv vorbereitet. Sie hatten aus einer Vielzahl von Büchern ihre Favoriten bestimmt, Texte ausgewählt und probegelesen. Die Teilnahme war freiwillig, nicht alle trauten sich schließlich aufs Podium. Doch die Aussicht auf einen Wettbewerb verstärkte noch die Freude am Lesen. „Sich zu präsentieren und vor Publikum zu sprechen, das sind Kompetenzen, die im Schulsystem immer mehr gefordert sind“, sagte dazu Maike Diener-Cartes, Lehrerin an der Hasenbergschule, am Rand der Veranstaltung.

Schauspielerische Talente

Die Wahl der Texte war vielfältig: Es gab Bilderbücher und reine Sachtexte, aber auch Klassiker wie Ronja Räubertochter oder Tom Sawyer in vereinfachten Versionen. Sogar ein Fundstück aus dem Internet war dabei: ein witziger Text über eine alles prüfende Feldmaus, den ein 16-Jähriger vorlas. Einige der Teilnehmer schraken auch nicht vor schwierigen Wörtern oder englischen Namen zurück. Mal mehr, mal weniger aufgeregt, mal leise, mal mit schauspielerischen Talent sprachen die Kinder bis zu drei Minuten lang in ein Mikrofon.

Die Jury bestand aus fünf Vertreterinnen von Bibliotheken und Buchhandlungen, der Stadtverwaltung sowie von Leseförderprojekten. Das Gremium zeigte sich am Ende des Nachmittages ziemlich beeindruckt von den Lesefähigkeiten der beteiligten Kinder. „Die Jury hat sich die Auswahl nicht leicht gemacht“, berichtete Christof Kuhnle, Leiter der gastgebenden Steigschule, bei der Bekanntgabe der Gewinner. Sollte die reine Leseleistung gewürdigt werden? Das Niveau, so lobten die Jurymitglieder, sei sehr hoch gewesen. Oder sollte mitbedacht werden, wie groß der Sprung über den eigenen Schatten war? Wie gut auch die Stimmung des Buches wiedergegeben wurde? Welches Buch ausgewählt wurde? Keine leichte Aufgabe, hier einen Sieger zu ermitteln.

Die Hasenbergschule jedenfalls konnte sich über drei Gewinner freuen: Luca Berger erreichte in der Hauptstufe I den dritten Platz, Luca Weeke in der Grundstufe den zweiten Platz und Cem Korkmaz in der Hauptstufe II einen zweiten Platz. Für diejenigen, die sich mit einer Teilnehmerurkunde zufriedengeben mussten, gibt es eine weitere Chance: Der erstmals organisierte Wettbewerb soll künftig jährlich stattfinden.