Der Maori-Schriftsteller Witi Ihimaera hat das erfolgreich verfilmte Buch „Whale Rider“ geschrieben. Nun ist es anlässlich der Maori-Ausstellung im Lindenmuseum in Stuttgart gewesen und hat sich und sein Volk vorgestellt.

Literaturhaus - Manche halten ihn für den bedeutendsten Schriftsteller der Maori von Weltrang. Parallel zur Ausstellung über die Ureinwohner Neuseelands im nahen Linden-Museum war am Montagabend der Erzähler Witi Ihimaera zu Gast im Literaturhaus. Seine Großmütter, so stellte sich Witi Ihimaera dem Publikum im vollen Saal vor, hätten ihm aufgetragen, Schriftsteller zu werden, die Geschichten und die Geschichte der Maori aufzuzeichnen, „damit nie vergessen wird, was geschehen ist“. Auf Englisch schreibt er, der Verbreitung wegen, sagt Witi Ihimaera. Er sei auf die Schule gegangen um diese „eher banale Sprache besser zu lernen als die Kolonisatoren“. Sein Maori-Idiom aber ist für ihn „die heilige Sprache von Häuptlingen“, dem Rituellen vorbehalten. Immer wieder streute er Proben davon ein und fiel gelegentlich mit klangvoll gutturaler Stimme in kultischen Gesang.

 

An diesem Volk, so hatte Moderator Joachim Kalka in seinen kundigen und konzentrierten Einführungsworten ausgeführt, sei eine „fortdauernde Verwundung“ durch Landraub geschehen, eine Entrechtung und Unterdrückung seiner Kultur bis in die Gegenwart. Vermutlich von Taiwan aus über Polynesien sollen die Maori wohl im 13. Jahrhundert die zwei neuseeländischen Hauptinseln besiedelt haben, die als letztes Terrain der Welt in den Fokus europäischer Kolonisatoren gerieten.

In Kriegen gegen die Unterwerfung gewehrt

„Das jüngste aller Völker“ nannte der Dichter die Maori deshalb, die heute ein knappes Siebtel der viereinhalb Millionen Neuseeländer stellen. Kriegerisch, auch kannibalisch sind die Maori einst gewesen, was wohl nicht nur Eroberer-Propaganda war. In Kriegen wehrten sie sich im 19. Jahrhundert gegen ihre Unterwerfung und begehrten auf gegen die Herrschaft der Weißen. Aber Witi Ihimaera wirkt ganz sanft mit seinem mal strahlenden, mal träumerischen Lächeln, das nur selten strengem Ernst und entschlossener Kraft weicht.

Dreizehn Romane, dazu viele Erzählungen hat der 1944 geborene Maori-Dichter bislang verfasst. Vier davon wurden verfilmt, darunter sehr erfolgreich der einzige in deutscher Übersetzung verfügbare Titel „Whale Rider“. Die magische Parabel, 1987 geschrieben, handelt von dem zur Enttäuschung des Großvaters nicht als Junge geborenen Mädchen Kahu, dem seine besondere schicksalhafte Rolle zuwächst, als eine Herde gestrandeter Wale als böses Omen gedeutet wird.

Anfangs will er mit seinen Werken die Maori-Kultur erhalten

Sein frühes Werk sei geprägt von dem Wunsch, „die DNA der Maori-Kultur zu erhalten“, erläuterte Witi Ihimaera. Inzwischen aber sei sein Schreiben „aggressiver politisch“. Er versuchte das – von Joachim Kalka gerafft, aber sehr stimmig übersetzt – an seinem jüngsten Roman „Parihaka Woman“ zu zeigen, der auf ein reales Ereignis aus dem Jahr 1881 Bezug nimmt, die Belagerung und Brandschatzung eines Maori-Dorfs, die Verbannung der Männer und die Einkerkerung der Häuptlinge Te Whiti und Tohu durch marodierende Siedler-Soldaten. „Ein schwarzer Tag“ sei das für die Maori gewesen, als man ihre Führer ohne Prozess und Urteil in Ketten legte. Nicht zufällig heißt die Hauptfigur Ereonora. Die Handlung ist ganz parallel zu Beethovens Befreiungs-Oper „Fidelio“ gestrickt. Ereonora wehrt sich gegen weiße Zudringlichkeiten und plant, ihren Mann zu suchen – als Mann verkleidet.

Auch auf Shakespeare spielt Witi Ihimaera an. In schönem Bariton stimmt er Beethovens „Abscheulicher, wo eilst du hin“ an und will durch solche Anklänge an die Weltkultur betonen: „Die Literatur der Maori ist Weltliteratur!“ Dann endet er. Wie die Deutschen wüssten die Maori nämlich pünktlich anzufangen und aufzuhören.