Im Theaterhaus Stuttgart stellen die drei Schauspielerinnen und TV-Stars Karoline Eichhorn, Gesine Cukrowski und Claudia Michelsen „Drei Frauen aus Deutschland“ vor: Bettina von Arnim, Else Lasker-Schüler und Erika Mann. Spannend!

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Stuttgart - Immerhin, sie schafft das „Sau-Sau-Sau-Kotz-Abitur“, wenn auch miserabel. Erika Mann schert es nicht, sie ist „begabt, aber verzogen“ und provoziert, wo sie kann. „Es ist also ein Mädchen“, konstatiert der Vater, Thomas Mann, nach der Geburt, „eine Enttäuschung für mich.“ Die Tochter wurde ihm dann doch noch lieb und wert. Er schickt sogar ein Empfehlungsschreiben an das Max-Reinhard-Seminar in Berlin, die Tochter wird Schauspielerin, heiratet Gustaf Gründgens, aber „spielte weder die Hausfrau noch sparte sie mit Geld“, wie es im Theaterhaus heißt.

 

„Drei Frauen aus Deutschland“ nennt sich ein Rezitationsabend von Martin Mühleis, mit dem je drei Schauspielerinnen in unterschiedlicher Formation durch die Republik tingeln: Im Theaterhaus Stuttgart waren es nun die drei Fernsehgesichter Karoline Eichhorn,Gesine Cukrowski und Claudia Michelsen, die wiederum drei interessante Frauenfiguren porträtieren. Neben Erika Mann sind das Bettina von Arnim und Else Lasker-Schüler, deren Biografien chronologisch aufgerollt werden. Zur Orientierung wird jeweils deren Foto eingeblendet, die Sprecherinnen wechseln sich ab in der lebendigen Textmontage, welche die Persönlichkeit, das Denken, die Sprache der drei Frauen plastisch werden lässt.

Bettina von Arnim lässt ihre Kinder frei aufwachsen

„Oh Sklavenzeit, in der ich geboren bin“, klagt Bettina von Arnim, als sie noch unverheiratet ist und Brentano heißt. Sie würde am liebsten eine „Wolkenschwimmerin“ werden und gehört zu jener Generation emanzipierter Frauen, die sich nicht in die Rollenklischees und Traditionen dreinfügen wollen. „Ich brauche keine Stütze im Leben“, erklärt sie, als man sie verheiraten will – sie sucht sich den Mann selbst aus. Freiheit ist der zentrale Begriff in ihrem Leben. Während ihr Mann, Achim von Arnim, bei der Erziehung der Kinder auf Zucht setzt, will sie deren „Freiheit respektieren“, denn aus braven Kindern würden doch nur brave Untertanen. „Freiheit“, ist Bettina von Arnim überzeugt und damit vielen ihrer Zeit voraus, „ist der höchste Beweis göttlicher Weisheit.“

Auch wenn die drei porträtierten Frauen unterschiedlichen Generationen und Lebenswelten entstammen, sind sie alle drei auffallend fortschrittlich in ihrem Denken und arbeiten als kritische und politische Geister an einer neuen, besseren Gesellschaft. „Nichts verloren, solang wir nichts verloren geben“, meint Bettina von Arnim, die im Alter noch zur „Hoffnungsträgerin der aufbegehrenden deutschen Jugend“ wird, wie es im Theaterhaus an diesem Abend heißt.

Else Lasker-Schüler propagiert wiederum die offene, durchmischte Gesellschaft, die, so ist sie überzeugt, „tolerante, taktvolle Menschen“ hervorbringe. Und Erika Mann, die Deutschland während des Nationalsozialismus verlässt, zieht als Vortragsreisende durch Amerika und entwickelt sich zu einer politischen Stimme im Kampf gegen Hitler. „Jede Flasche Kölnisch Wasser bedeutet ein Quäntchen Stahl“, predigt sie und appelliert, deutsche Waren zu boykottieren.

Die Frauenliebe wird verschwiegen

Ein wenig erstaunt, dass Martin Mühleis die Porträts dieser wahrlich unkonventionellen Frauen keusch zensiert: So wird die leidenschaftliche Liebe zwischen Bettina Brentano und Karoline von Günderode verschwiegen. Dabei hat Bettina den Selbstmord der Freundin nie verwunden und ihren Briefwechsel Jahrzehnte später zu einem Roman verarbeitet. Auch die Liaisons der Erika Mann bleiben unerwähnt, wie auch ihr gigantischer Publikumserfolg in der Rolle einer Lesbe im Theaterstück ihres Bruders Klaus.

Aber auch so ist es ein aufschlussreicher Abend, den die drei Schauspielerinnen mit ganz unterschiedlichen Temperamenten präsentieren: Die aus Stuttgart stammende Karoline Eichhorn, die man zuletzt schwäbelnd in der TV-Serie „Die Kirche bleibt im Dorf“ sehen konnte, ist eher verhalten und nimmt sich in der Ausgestaltung der Texte zurück. Claudia Michelsen, die im Magdeburger „Polizeiruf 110“ermittelt, ist ständig in Bewegung und füllt jeden Satz mit Sinn und Leben. Gesine Cukrowski schließlich steht markant zwischen den beiden, sie liest leicht und lebendig. Ein gut eingespieltes Team, ein runder Abend, von dem man sich einen Satz von Bettina von Arnim in jedem Fall merken kann: „Selbst denken ist der höchste Mut.“