Im Haus der Katholischen Kirche geht es um die Unterschiede zwischen Managern und Künstlern. Ganz nach dem Vorbild der klösterlichen Tischlesungen werden hier seit mehr als 5 Jahren Mittagessen abgehalten.

S-Mitte - Dass Marie Bues ausgerechnet im Haus der Katholischen Kirche zu einer Kapitalismuskritik ausholt, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Während auf der Stuttgarter Konsummeile Königstraße die Menschen flanieren, serviert die Intendantin des Theaters Rampe drinnen zum Mittagessen kritische Anmerkungen zur ökonomisierten Gesellschaft. Sie liest aus Rainald Goetz neuen Roman „Johann Holtrop“ vor, der Aufstieg und Verblendung eines Managers zur Hochphase des Neuen Marktes um die Jahrtausendwende beleuchtet. Die Theaterfrau diskutiert anschließend mit dem Gastgeber und Leiter des Katholischen Bildungswerk Roland Weeger, ob es eine Gemeinsamkeiten zwischen Künstlern und Managern sowie Kirche und Theater gibt.

 

Tischlesungen nach klösterlichem Vorbild

„Wir haben uns bewusst entschieden, die Lesungen direkt im Haus der katholischen Kirche zu halten“, erklärt Weeger. Er und sein Team griffen vor mehr als fünf Jahren die Idee auf, nach dem Vorbild der klösterlichen Tischlesungen ein Mittagessen abzuhalten. Die Zuhörer genießen an im Atrium ihre warme Suppe, während der Eingeladene am Pult oder Tisch am Kopfende Texte vorliest. Das müssen aber nicht zwangsläufig geistliche Texte sein. „Wir laden Menschen aus Stuttgart ein, die auf die eine oder andere Weise hier wirken“, sagt Weeger. Das Publikum soll Gelegenheit haben, diese kennenzulernen.

Bues folgte der Einladung aus dem Katholischen Bildungswerk begeistert. „Ich finde es spannend, neue Projekte anzustoßen. Ich kann hier auch andere Menschen erreichen als im Theater Rampe“, sagt die Intendantin. Marie Bues hat Schauspiel an der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart studiert. Anschließend war sie als Schauspielerin an der Württembergischen Landesbühne Esslingen engagiert und begann dort erste eigene Regiearbeiten. Ab 2008 arbeitete sie als freie Regisseurin. Im August 2013 zog es sie wieder nach Stuttgart, als sie gemeinsam mit Martina Grohmann Intendantin des Theater Rampe wurde. „Mich hat es gereizt, die Gesamtheit eines Theaters zu prägen und Künstler und Programm zu begleiten“ sagt sie. Aktuell hält das Theater den Vagabundenkongress ab.

Zwei Bühnen für Kritik an gesellschaftlichen Zuständen

Auf die Frage von Weeger, ob sie als Theatermensch Berührungsängste mit einem Auftritt im kirchlichen Umfeld hatte, winkt Bues ab. „Theater und Kirche haben viel gemeinsam, da sie Geschichten in die Welt tragen. Hier werden Inhalte vermittelt und Menschen kommen zusammen“, sagt sie. Für sie sei die Bibel zu lesen der Beginn ihrer Theaterlaufbahn gewesen. Einig sind sich Bues und Weeger, dass das Theater und die Kirche Bühnen sind, gesellschaftliche Zustände zu kommentieren oder zu kritisieren. Weeger weist provokant auf eine Gemeinsamkeit hin, die vermeintlich zwischen Intendanz und Management bestehe: „Auf beiden Gebieten, gebe ich doch vor, was ich bewirken und bewegen will.“ Dies möchte Bues abstreiten. Allerdings höre die Gemeinsamkeit dort auf, wo der Intendant Künstler sei und der Manager auf Vorteilsdenken bedacht ist. „Die Romanfigur krankt doch an der Auffassung, zynische Entscheidungen nachträglich mit hehren Absichten zu adeln“, sagt Bues mit Blick auf Goetz’ Roman. Diese Verblendung sei prägend für einen Großteil der Managerwelt.