Manuel Stallbaumer liest in der Stadtbibliothek seine Lyrik. Bei diesem Dichter geht alles schnell – und das, obwohl er als Jugendlicher unter dem Tourette-Syndrom gelitten hat.

Stuttgart - Manuel Stallbaumer hat es eilig – und dies schon seit geraumer Zeit: Mit 15 Jahren besucht er die Schreibwerkstatt bei José F. A. Olivier im Stuttgarter Literaturhaus. Kurz darauf veröffentlicht er bereits seine ersten Gedichte in diversen Literaturzeitschriften. Im letzten Jahr dann war der 1990 geborene Aidlinger der jüngste Nominierte für den Berliner Literaturwettbewerb Open Mike: „Wer hier gelesen hat, dessen Namen kennt man“, sagt Stallbaumer, und er klingt selbstbewusst, wozu er ja auch allen Grund hat, immerhin wurde ein Jahr zuvor bereits sein erstes Drehbuch verfilmt.

 

Stallbaumer studiert am Leipziger Literaturinstitut, der Kaderschmiede der jungen deutschen Gegenwartsliteratur. Sein Drehbuch entstand für einen Wettbewerb des Instituts. Der Leipziger Verein Ostpol stellt den Kontakt zur Filmhochschule in Belgrad her und finanziert die Produktion des zwölfminütigen Kurzfilms „Maria“. Stallbaumer erzählt darin die Geschichte eines kleinen Mädchens mit großem Freiheitsdrang. Auf mehreren Festivals hat der Film das Publikum gerührt.

Er wusste früh, was er will

Seinen frühen Erfolg erklärt sich Manuel Stallbaumer damit, dass er schon früh wusste, was er wollte und von seinen Eltern gut gefördert wurde. Als er elf Jahre alt ist, liest seine Mutter John Irvings „Garp und wie er die Welt sah“ und lacht dabei. Natürlich verbietet ihm seine Mutter die Lektüre von Irvings Halbwelt-Pandämonium, und natürlich liest er das Buch heimlich. „Diese stark sexualisierte Geschichte war für mich zarten Jungen dann aber schon etwas viel“, sagt er. Fortan liest er Hermann Hesse.

Stallbaumer erzählt dies flüssig und vergnügt. „Hätten wir vor ein paar Jahren miteinander gesprochen, würde sich dies möglicherweise anders angehört haben.“ Als Jugendlicher litt er unter dem Tourette-Syndrom. Er wurde früher von Krämpfen, Zucken und Stottern übermannt.

Ein Gespinst von Worten

„Ich war als Kind introvertiert und konnte mich gut mit mir und Büchern beschäftigen“, sagt er heute. Seine frühere  Introvertiertheit merkt man ihm nicht mehr an, auch wenn sie ihn noch immer prägt: „Wenn man schreibt, ist man zwangsläufig auf sich selbst zurückgeworfen.“

Stallbaumers Texte sind assoziativ, sprunghaft, gelegentlich wie zufällig dahingeschleudert: „vollständig ausgeräumt / du wirfst ein paar blicke ab / schütterst auf zitterst / geringfügig (kinnhoch aufgetragen: brot“. So beginnt das Gedicht, das er für den Open Mike eingereicht hatte. Ein fein ausgehorchtes Gespinst von Worten – vermutlich die schönste Form, die ein Tourette-Syndrom annehmen kann.