Über dreißig Jahre hat Stefan Siller im Südfunk und auf SWR 1 die Kultsendung „Leute“ moderiert. Am Mittwoch gibt er seinen Abschied. Die ereignisreiche Zeit bei seinem Haussender lässt er in seiner Autobiografie Revue passieren.

Stuttgart - Der Mann spricht ziemlich schnell, man kann ihn trotzdem gut verstehen. Das mag, neben zahlreichen anderen Begabungen mit dazu beigetragen haben, dass Stefan Siller, seit dreißig Jahren Moderator der Sendung „Leute“, in einer eher maulfaulen Region beim Hörfunk als Moderator ziemlich bekannt und beliebt geworden ist. Wann immer man aus dem Radio eine Stimme hörte, die entfernt an den Synchronsprecher von Tom Hanks erinnerte, dann war zuverlässig der gebürtige Herforder am Mikrofon. An diesem Mittwoch wird das allerdings zum vorerst letzten Mal der Fall sein. Stefan Siller unterhält sich – wahrscheinlich wie immer gut vorbereitet, heftig nachhakend und engagiert – mit einem Erfinder von Robotern. Am 23. Dezember tritt er noch einmal auf der anderen Seite des Gesprächstisches an, da wird ihn sein „Leute“-Kollege Wolfgang Heim befragen. Und dann geht er, man mag es bei einem 68er-Veteranen und Vertreter der Popkultur wie ihm kaum aussprechen, in den Ruhestand.

 

„Etwas mulmig“, gibt er zu, nachdem er im Freien vor dem Stuttgarter Funkhaus eine geraucht hat, sei ihm vor diesem Schritt ja schon. Ob er gut loslassen kann? „Fragen Sie mich das, wenn der letzte Tag vorbei ist.“ Klingt nicht eben fröhlich, aber auch nicht so, als könnte ihm nach diesem entscheidenden Schritt nicht vielleicht noch ein guter nächster einfallen.

„Familie und Reisen“ nennt er als neue Schwerpunkte, und an Ideen fehlte es Stefan Siller, betrachtet man seine Vita, ja wohl sowieso nie, so wenig wie am Mut, sie umzusetzen. Er hat nicht nur im Hörfunk gesprochen, sondern auch Filme gedreht, Konzerte veranstaltet, und Events wie die Mega-Hitparade „Top-1000 X“ mit erfunden, die dem „wilden Süden“ anno 1989 einen „Summer of Music“ bescherte. Aber bei seinem Haussender aufzuhören ist natürlich schon schwierig, wenn man, wie der 65-Jährige erzählt, „schon immer Journalist werden wollte“.

Kritik an linker Gesinnung

Bereits als Kind war er „an vielen Dingen interessiert“ und bastelte für seine Eltern kleine Zeitungen. Später, als 13-jähriger Gymnasiast gab er mit seinem besten Freund eine Klassenzeitung heraus, „wir wollten uns produzieren und unseren Mitschülern beibringen, was auf der Welt so passiert“. Nach dem Abitur volontierte der aufstrebende Jungautor bei der „Neuen Westfälischen“ in Bielefeld, es folgten nach „schönem Studentenleben“ ein bereits von ersten Hörfunkversuchen beim Jugendprogramm des damaligen Sender Freies Berlin überlapptes, nicht abgeschlossenes Studium am Otto-Suhr-Institut für Politologie und Publizistik und erste Engagements als Moderator. „Die Probe lief gleich live über den Sender, und ich habe mich wohl nicht ganz blöd angestellt“, sagt Siller.

Wie seine Karriere dann, begleitet von vielen Erfolgen, aber in den frühen Jahren auch immer wieder von Kritik wegen allzu linker Gesinnung weiterlief, wie er nach Stuttgart zum Südfunk kam, und dort kurz im Fernsehen und später im Hörfunk „fast alles“ mal moderiert hat, bevor er 1985 „sein“ Format, die Gesprächssendung, die einige Jahre später „Leute“ heißen sollte, fand, lässt sich in seiner Autobiografie „Neugierig – auf Leute und die ganze Welt“ nachlesen. Nacherzählen kann man den interessanten und anekdotenreichen Stoff nicht, viel zu viel Action, zu viele Menschen, zu viele Schauplätze in diesem Leben, zu dem auch noch Familie gehört – Siller wurde mit 22 zum ersten Mal Vater und ist längst Opa.

Der tollste Gast war Harald Schmidt

Privates lässt der Buchautor allerdings weitgehend aus, er schildert vor allem berufliche Erlebnissse aus der wechselhaften SDR/SWR-Sendergeschichte oder mit zahllosen Buddys und Wegbegleitern aus der Musikszene. Und dann sind da natürlich die Erinnerungen an die geschätzt 3000 Gespräche bei „Leute“, von denen die besten passagenweise mit abgedruckt sind. „Harald Schmidt, und das gleich mehrere Male“, antwortet der Gastgeber spontan auf die zugegebenermaßen nicht sehr originelle Frage, wer denn sein tollster Gast in der Sendung gewesen sei, und nicht ohne höflich darauf hinzuweisen, dass es natürlich viele tolle gegeben habe. Die gehörlose Sarah Neef zum Beispiel, „die zu den Gästen gehörte, die mich Demut lehrten“, und furchtlos zwei Stunden lang ein Live-Interview mit ihm absolvierte. Wobei er den Begriff Interview eigentlich gar nicht mag: „Ich spreche lieber von Unterhaltung“, sagt Stefan Siller, „ich möchte mich mit einem Gast unterhalten, schauen, was er für Ideen hat, und daraufhin dann im Gespräch weiterkommen.“

Für einen Moderator sei es wichtig, das Fragenstellen zu beherrschen, was oft nicht so leicht sei, wie Antworten zu geben. Er müsse aber vor allem zuhören können. Nur zuzuhören ist ihm während seiner Laufbahn nicht immer gelungen, er bringt sich schon auch ganz gern selbst mit ein. Man kann das Besserwisserei nennen oder Haltung, je nach Blickwinkel. Zum langweiligen Neutrum jedenfalls hat Siller nie getaugt. Und seine Stimme wird in Baden-Württemberg, das ihm nach anfänglichen Berührungsängsten sehr ans Herz gewachsen ist, sicher auch weiterhin zu vernehmen sein. Ein Glücksfall für den „wilden Süden“!