Die „Schwäbische Zeitung“ auf dem Absprung, der Bahnhof vor dem Verkauf, ein verlassenes Munitionslager vor der Nase und ein Rathauschef außerhalb der CDU: Leutkirch ging es mal ziemlich schlecht. Dann kam die Center-Parcs-Gruppe.

Politik/Baden-Württemberg: Rüdiger Bäßler (rub)

Leutkirch - Rettung, nun ja, das ist ein großes Wort. Zu groß für das, was die Stadt Leutkirch noch vor ein paar Jahren gebraucht hat. Aber eine Lustigkeit war das eben auch nicht, was der schwäbischen Voralpenkleinmetropole widerfuhr, von der viele in Stuttgart immer noch sträflich mutmaßen, sie müsse doch eigentlich in Bayern liegen. Die Zentrale der „Schwäbischen Zeitung“, die Jahrzehnte dafür gesorgt hatte, dass in jeder selbst verfassten politischen Meldung die Spitzmarke „Leutkirch“ prangte, sattelte langsam die Umzugslaster Richtung Ravensburg. Zugleich wuchs sich die Finanzkrise zum Albtraum von Sparern und kommunalen Haushältern aus. Und das war längst nicht alles.

 

Wende, Umkehr oder auch Erneuerung – solche Begriffe gefallen dem Oberbürgermeister Hans-Jörg Henle besser als Beschreibung dessen, was er Leutkirch angedeihen lassen wollte, damals 2008. Jetzt kann der 52-Jährige locker davon erzählen in seinem historischen Rathausbüro mit Blick auf den Gänselieselbrunnen. Er trägt das Ensemble wie auf seinem jüngsten Wahlprospekt: schwarzer Anzug, weißes Hemd, blaue Krawatte zu blauen Augen. Mit 87 Prozent der Stimmen ist er Mitte Juni im Amt bestätigt worden, und es gibt keinen vernünftigen Zweifel, dass dieses Wahnsinnsvotum wie aus verdächtigen alten Sowjettagen mit einer Firmengruppe zu tun hat, die alle im Städtchen elektrisiert: Center Parcs.

Deutschlands größter Ferienpark

2008, bei Henles Erstwahl, hat noch niemand auch nur entfernt hoffen können, dass vor den Toren der Stadt Deutschlands größter Ferienpark entstehen würde. Stattdessen so etwas wie die Stunde null: Katholisch war Henle, aber nicht in der CDU oder sonst einer Partei, was im Nachhinein wiederum als Zeichen der damaligen psychologischen Minikrise gedeutet werden könnte.

Im Allgäu sind die Konservativen schließlich immer noch Volkspartei. Aber mit dem Neuen haben sie es dann doch bestens getroffen im Städtchen, denn er besitzt die Gabe der scharfen Analyse. „Es war klar, die „Schwäbische Zeitung“ verlässt uns, 250 hochwertige Arbeitsplätze, die man nie wieder kriegt“, sagt er. Dabei waren die Einwohnerzahlen auch so schon im Rückwärtsgang. Die Bahn suchte, was von vielen durchaus als Rückversetzung ins Provinzielle empfunden wurde, einen Käufer für das stolze Bahnhofsgebäude. Das örtliche Kreiskrankenhaus litt an unheilbarer Fusionitis. „Die Chirurgie war schon dicht“, erzählt Henle. „Mir war klar, das hält nicht mehr lang.“ So sollte es kommen.