Der libysche Premierminister Abdul Rahim al-Kib verspricht dem gefassten Gaddafi-Sohn ein faires Verfahren – im Land.

Tripolis - Als das Ende der Revolution und den Beginn des Aufbaus eines freien, transparenten Rechtsstaats hat der designierte Regierungschef Abdul Rahim al-Kib die Verhaftung von Saif al-Islam gelobt. Er versprach, der einst als Thronfolger für den gestürzten Muammar al-Gaddafi gehandelte Sohn werde ein faires Verfahren erhalten. Die neue libysche Führung in Tripolis hat zugesagt, dass sie mit dem Internationalen Strafgerichtshof zusammenarbeiten wird. Bereits nächste Woche will dessen Chefankläger Luis Moreno-Ocampo nach Tripolis reisen. Der Gerichtshof hatte im Juni einen Haftbefehl gegen Saif al-Islam wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit erlassen.

 

Die Libyer haben allerdings nie einen Hehl daraus gemacht, dass sie alle Gerichtsverfahren gegen Mitglieder des gestürzten Gaddafi-Regimes im eigenen Land abhalten wollen. Nach den Worten von Justizminister Mohammed al-Alaqi soll der Gaddafi-Sohn unter anderem wegen Anstachelung zum Mord, Verschwendung von öffentlichen Geldern und Rekrutierung von Söldnern angeklagt werden.

Die Nachricht von der Ergreifung des zweitältesten der sieben Gaddafi-Söhne und des letzten, der noch im Land war, hat in ganz Libyen Freudenkundgebungen ausgelöst. Die Wut der Menschen auf den 39-Jährigen ist besonders groß. Weltgewandt – in Österreich und England ausgebildet – erledigte er für seinen Vater viele Auslandsmissionen und rühmte sich etwa damit, die Aufgabe des Nuklearprogrammes, die Libyen einst die Rückkehr aus der politischen Isolation ermöglichte, sei seine Initiative gewesen. Er galt auch als Vermittler von vielen heiklen politischen Deals mit westlichen Regierungen.

Derzeit wird Saif al-Islam in Zintan festgehalten

In Libyen ist Saif al-Islam für viele Menschen jahrelang ein kleiner Schimmer der Hoffnung gewesen. Vor allem Intellektuelle hatten seine Initiativen für minimale Reformen, die allerdings meist nichts als leere Worte blieben, unterstützt, weil sie überzeugt waren, sie seien die einzige Chance für Bewegung im erstarrten Regime. Erst bei seinem Auftritt in den ersten Tagen der Revolution zeigte Saif sein wahres Gesicht, als er das Volk zu einem Kampf bis zum letzten Blutstropfen aufrief. Diesen Kampf sollte er an Orten wie Zawiya und Bani Walid schließlich selbst mit anführen. Für die Libyer besteht kein Zweifel, dass er für Verbrechen verantwortlich ist, die nach ihrem islamischen Rechtsverständnis die Todesstrafe nach sich ziehen. Die Lorbeeren für die Verhaftung nahe der Stadt Ubari im Süden des Landes können die Milizen von Zintan für sich in Anspruch nehmen. Sie haben es auch geschafft, den Gefangenen lebend nach Zintan in den westlichen Bergen zu bringen und Lynchjustiz, wie sie an seinem Vater durch Milizen aus Misrata ausgeübt wurde, zu verhindern. Derzeit wird Saif al-Islam in Zintan festgehalten. Er soll erst an die zentralen Behörden überstellt werden, wenn ein entsprechendes Gericht aufgebaut ist.

Die Ergreifung des Gaddafi-Sohnes ist ein weiterer Schlag für die letzten Überbleibsel des alten Regimes. Experten sind sich allerdings einig, dass der immer noch flüchtige ehemalige Geheimdienstchef Abdallah al-Sanussi – ein Cousin Saifs – eine viel größere Gefahr darstellt. Von ihm wird vermutet, dass er in den letzten Wochen mit Saif al-Islam zusammen gewesen ist. Sanussi genießt den besonderen Schutz der Tuareg. Er war über 40 Jahre lang der Mann fürs Grobe für den Diktator. Er ist gut vernetzt und wäre wohl immer noch in der Lage Guerillaaktionen anzuzetteln.