Sechs Millionen Aufrufe nach gut einem Monat: Der Deutschtürke Volkan Durmaz hat ein Lied über die Diskriminierung geschrieben, mit der er tagtäglich konfrontiert wird. Was ihn besonders nervt und warum er den Song geschrieben hat, erzählt der Sänger im Video-Interview.

Stuttgart - Volkan Durmaz lächelt auch dann, wenn es um ernste Themen geht. Fremde Menschen loben den in Esslingen geborenen 29-Jährigen für sein akzentfreies Deutsch? Volkan lächelt. Bei einer Wohnungsanzeige geben die Vermieter an: „Nur für Süddeutsche“? Volkan lächelt. Er wird viel öfter von der Polizei angehalten als seine Bekannten, die hellere Haut, blondere Haare und weniger Bartwuchs haben? Volkan lächelt.

 

Tagtäglich erlebt Volkan Durmaz Diskriminierungen. Resigniert oder wütend ist der Deutschtürke deshalb nicht. „Ich nehme das gelassen und genieße die Reaktionen der Menschen, wenn ich ihnen in perfektem Deutsch entgegensetze, dass ich hier aufgewachsen bin und zwei Universitäten abgeschlossen habe“, sagt der Esslinger. Trotzdem: Manche Fragen werden ihm so oft gestellt, einige Vorurteile begegnen ihm so oft, dass er sich dazu entschied, seinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen.

Jürgen Todenhöfer lud das Video als Erster auf Facebook hoch

Er schrieb das Lied „Kind dieser Erde“ – jenes Lied, das in den vergangenen fünf Wochen mehr als sechs Millionen Mal aufgerufen wurde. In dem Lied singt Volkan darüber, dass er sich nicht über seine Nationalität definieren will und dass er nicht darauf antworten kann, ob er Türke oder Deutscher sei – und dass das doch eigentlich auch egal sei: „Ich bin ein Kind dieser Erde // Und da zuhaus’, wo mein Herz ist // Ich bin ein Kind dieser Erde //Wo das Leben mich hinträgt, da land’ ich wie ein Blatt im Wind.“

Am 16. Dezember lud der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete und Herausgeber der Wochenzeitschrift „Der Freitag“, Jürgen Todenhöfer, das Lied auf Facebook hoch – und es ging durch die Decke.

Mehr als 6 Millionen Mal wurde es angesehen, 48 000 Mal geteilt, 3000 Mal kommentiert – größtenteils von Menschen, die der Botschaft von Volkan Durmaz zustimmen. Der Liedtext ist kurz und einfach, nach ein oder zwei Mal Zuhören kann man das Lied bereits mitsingen. „Es scheint so, als hätte ich einen Nerv getroffen“, sagt Volkan Durmaz und lächelt. „Die Menschen finden sich in der Botschaft wieder.“ Was er mit dem Song zu erreichen hofft, schilder der Sänger im Video-Interview.

Til Schweiger gehört zu seinen Unterstützern

Doch die Botschaft ist vermutlich nicht der einzige Grund, warum das Lied auf so viel positive Resonanz stieß – sondern unter anderem auch der Zeitpunkt, als es hochgeladen wurde: in der Vorweihnachtszeit am Ende eines Jahres 2016, das nicht nur, aber auch von Terror, Populismus und Fremdenfeindlichkeit geprägt war. Der Wunsch der Menschen nach Einigkeit über Religionen und Kulturkreise hinaus ist groß, das Lied spricht ihnen aus der Seele.

Außerdem hat Volkan Durmaz einige prominente Unterstützer – wie Todenhöfer: Dieser hat 700 000 Abonnenten auf Facebook, er hat das Video als Erster hochgeladen. Die Verbindung zwischen dem in Berlin lebenden 76-Jährigen und dem 29-jährigen Esslinger ist der Sohn von Jürgen Todenhöfer, Frederic Todenhöfer. Er ist einer der Produzenten von Volkan Durmaz.

Doch Todenhöfer war nicht der einzige Prominente, der das Video verbreitete: Einen Tag nachdem der ehemalige CDU-Abgeordnete das Video hochgeladen hatte, teilte auch der Schauspieler Til Schweiger dessen Beitrag und schrieb dazu: „Alle mal bitte das Video anschauen! Toller Text, der vielleicht einigen (sicher nicht allen) die Augen öffnet darüber, dass keiner was dafür kann in welchem Land er geboren wurde und keiner besser ist, nur weil er zufällig in Deutschland, den USA oder in Syrien geboren wurde!“. Dieser Beitrag erlangte nochmals 4300 Likes.

Früher spielte Volkan bei den Stuttgarter Kickers Fußball

In der Öffentlichkeit zu stehen ist Volkan Durmaz nicht fremd: „Schon im Grundschulalter habe ich in mehreren Chören gesungen und seit meinem 16. Lebensjahr habe ich mit zwei anderen Jungs regelmäßig auf der Straße Musik gemacht.“ Zunächst war das Trio in Heilbronn und Karlsruhe unterwegs, weil es ihnen in Stuttgart „noch zu peinlich war“. Die Musik kam gut an, irgendwann trauten sie sich auch auf die Stuttgarter Königstraße. „Wir traten mehrmals wöchentlich auf, die Leute kannten uns und wir hatten immer riesige Menschentrauben um uns herum.“

Doch Musik ist nicht das einzige Talent, das Volkan Durmaz besitzt: Er hat einen Masterabschluss in Betriebswirtschaftslehre, war Deutscher Meister im Kanusport und spielte in der B- und A-Jugend der Stuttgarter Kickers Fußball. „Doch die Musik, das ist meine wahre Leidenschaft“, sagt er.

Derzeit arbeitet er an weiteren Liedern und seinem Album, das im Mai erscheinen soll. Mit der Musik kann er am besten die Vorurteile und Diskriminierung verarbeiten, die er tagtäglich erlebt. Denn manchmal merkt man ihm dann doch an, dass ihm die täglichen Fragen und Vorurteile doch etwas ausmachen – trotz des freundlichen, offenen Lächelns, das er für jeden, der ihm begegnet, übrig hat.