Früher galt Sushi als exotische Delikatesse. Doch seit die Fischröllchen zur Massenware geworden sind, gefährden sie vor allem Thunfisch.

Stuttgart - Es soll immer noch Menschen geben, die einen Würgereiz kaum unterdrücken können, wenn roher Fisch in ihrem Mund in Richtung Speiseröhre schwimmt. Diese meist als Kostverächter belächelte Minderheit kann sich nun mit neuem Selbstbewusstsein zu ihrer Röllchen-Ignoranz bekennen und sich als aktiver Umweltschützer zu erkennen geben: Seit gut einer Woche läuft in den Kinos der Dokumentarfilm „Sushi – The global Catch“. In diesem Film zeigt der Regisseur Mark Hall, wie das Trendgericht die Welt erobert hat und der Thunfisch dafür bezahlen muss. Der größte Verlierer in diesem ökologischen Drama ist dabei der Blauflossenthunfisch, auch Roter oder Großer Thun genannt. Die Bestände von Thunnus thynnus, einem der wichtigsten Raubfische der Weltmeere, ist nahezu unwiderruflich dezimiert. Da kann selbst einem eingefleischten Sushi-Fan der Appetit vergehen.

 

In seinem Film zeigt der Regisseur, wie der Sushi-Trend in Japan ursprünglich tatsächlich als Delikatesse begann: Wer die bunten, oft einem Gemälde anmutenden Fischröllchen zubereiten wollte, musste als Koch einige harte Lehrjahre hinter sich bringen. Erst nach unzähligen Botengängen, hektischer Schneidearbeit in speziellen Küchen und Rollübungen durfte der Koch nach einigen Jahren den Fisch selbst in die Hand nehmen und Sushi daraus zubereiten – um weitere Jahre später eigene Kreationen zu erfinden. Diese traditionelle Zubereitung des Fisches in essiggesäuertem Reis, mit verschiedenen Soßen und Gewürzen garniert, findet man nur noch selten. Seitdem das gesunde und fettarme Gericht aus Japans Küchen die gesamte Welt erobert hat, wird Sushi als Massenware hergestellt und mittlerweile an Imbissbuden und Supermarkttheken verkauft. Dieser Trend hat seine Schattenseite, denn die beliebteste Zutat, vor allem in der westlichen Welt, ist der Thunfisch.

Nachfrage steigt

55 500 Tonnen Blauflossenthunfisch werden nach Angaben der Umweltschutzorganisation Greenpeace jedes Jahr aus dem Meer gefischt. Die Nachfrage steigt weiter und damit auch der illegale Fang und der Preis: 150 000 US-Dollar werden in dem Dokumentarfilm auf einer Auktion auf einem Fischmarkt für den bis zu vier Meter messenden Raubfisch geboten. Nach Angaben von Greenpeace wurden auf dem großen Tsukiji-Markt in Tokio gar 700 000 US-Dollar für ein einziges Exemplar geboten. Seit Beginn des industriellen Fischfangs in den 1950er Jahren, so die Umweltschützer, sei die Zahl der großen Thunfischarten bis heute um etwa 90 Prozent gesunken. „Ich weiß nicht, wie lange wir noch Thunfisch essen können, aber er wird früher weg sein als das Erdöl“, sagt ein japanischer Sternekoch in dem Dokumentarfilm.

Für das fein ausgeklügelte ökologische Gleichgewicht der Ozeane wäre ein Aussterben der riesigen Raubfische fatal. Fehlen diese Räuber als letztes Glied in der Nahrungskette des Meeres, würden sich die Raubfische der darunter liegenden Sparte des Nahrungsnetzes vermehren. Damit gebe es für diese Fische wiederum zu wenig Beutefische, so dass die kleineren Räuber keine Nahrung mehr finden können und ebenfalls vom Aussterben bedroht würden.

Ökologisches Gleichgewicht kann kippen

Zudem müssten auch die Fischer auf diese kleineren Fische zugreifen und außerdem immer mehr Jungfische fangen, die noch nicht geschlechtsreif waren und damit noch keine Nachkommen produzieren konnten. Das Spektrum der vielfältigen Arten im Lebensraum Meer würde sich verschieben, das ausgewogene Gleichgewicht kippen. Am Ende blieben nur Quallen, Seeigel und andere Kleintiere übrig, da sind sich die Experten verschiedener Umweltorganisationen einig.

Doch auch die Aufzucht der großen Fische in künstlichen Gehegen wäre keine Alternative, sagen Umweltexperten. Denn die Thunfische müssen dort mit riesigen Mengen anderer Fische gefüttert werden, die am Ende in der Nahrungskette des Menschen fehlen würden. Dazu zählen so beliebte Sorten wie beispielsweise Sardinen oder Makrelen.

Somit ist der Verbraucher in der Pflicht. So kann man als Fischliebhaber zum Schutz gefährdeter Arten beim Kauf darauf achten, aus welchen Beständen die Tiere kommen und mit welchen Methoden sie gefangen wurden. Dabei helfen die Einkaufsratgeber von Greenpeace und der Umweltstiftung WWF. In Mark Halls Dokumentarfilm raten japanische Fischer dazu, die feinen Röllchen wie früher als Delikatesse in Maßen und nicht in Massen zu genießen: Man müsse sich doch nicht überfressen. Man könne auch nur eine kleine Menge verzehren.

Gefährdung

Die Überfischung der Meere weltweit ist dramatisch. Darauf weisen Umweltschutzorganisationen wie Greenpeace und der WWF immer wieder hin. Man muss als umweltbewusster Mensch dennoch nicht auf den gesunden Fisch verzichten. Vielmehr sollte der Verbraucher beim Einkaufen die richtige Wahl treffen und damit dem Handel und der Politik zeigen, dass man sich als Fischliebhaber für ein umweltfreundliches Fischangebot einsetzt und gefährdete Arten meidet.

Ratgeber

Woran erkennt man, ob ein Fisch aus nachhaltiger Fischerei stammt? Greenpeace empfiehlt, im Supermarkt auf die Kennzeichnung der Ware zu achten. Diese gibt Auskunft über die jeweiligen Fanggebiete und die Fangmethode. Hilfreich ist dabei der Ratgeber „Fisch – beliebt, aber bedroht“. Mit Hilfe von wissenschaftlicher Datenauswertung über die Fischbestände wird die Zusammenstellung jährlich aktualisiert – Schwankungen in den Fischpopulationen sind normal.

Empfehlung

Das Fazit der Umweltschutzorganisation im neuen Ratgeber: Karpfen und Forellen können völlig bedenkenlos gegessen werden. Lachs, Hering und Kabeljau hingegen sollten aus speziellen Fanggebieten stammen und werden nur eingeschränkt empfohlen (www.greenpeace.de/Ratgeber). Den beliebten Alaska-Seelachs sollte man nach Angaben des WWF (www.wwf.de/Gratis-Fischratgeber) nur mit dem blauen Siegel des Marine Stewardship Council (MSC) kaufen.