In dem Haus für Völkerkunde ist am Wochenende das 100-Jahr-Jubiläum gefeiert worden, das neben vielen Reden ein buntes Programm bot.

Lokales: Matthias Ring (mri)

Stuttgart - Wie es sich für einen amtlichen Geburtstag gehört, wurde in der Nacht von Freitag auf Samstag ein Countdown heruntergezählt. Denn auf den Tag genau am 28. Mai 1911 war das nach seinem Gründer Carl von Linden genannte Museum von König Wilhelm II. eingeweiht worden. Glück für die Museumsleute, dass der hundertjährige Kalender es so wollte, dass der Geburtstag auf ein Wochenende fiel. Schon am Freitagabend drängten mehr als 1200 Besucher ins Haus, das neben vielen Reden ein buntes Programm bot. Höhepunkt für viele: der Auftritt des Orchesters der Kulturen in unterschiedlichsten Konstellationen, mit Instrumenten vom Alphorn bis zur afrikanischen Harfe, der Kora.

 

Am Samstag kamen 800 Menschen zum Tag der offenen Tür, auch hier gab es Livedarbietungen wie von der orientalischen Truppe Can Demirel und eine Aufführung des Jugendensembles von Teatro Trono aus Bolivien. Eher virtueller Natur ist "ein Ding aus meiner Welt", mit dem Gegenstände und Geschichten aus dem Alltag dokumentiert werden. Kinder bringen Schneckenhäuser, Steine oder auch eine Sammlung von Buttons gegen Stuttgart 21 mit, die mit einer Kamera festgehalten und im Internet gezeigt werden. "Im September wird der virtuelle Raum in den realen Raum überführt", sagt Elke Bauernfeind, die das Projekt betreut. Dann sind einige der Fundstücke in der Ausstellung "Weltsichten" im Kunstgebäude am Schlossplatz zu sehen.

Im Jubiläumsjahr gehen die Besucherzahlen wieder nach oben

Konkret gibt es an diesem Tag viel in den Familienführungen zu sehen und zu hören. Konzentriert lauschen die Besucher den Ausführungen des Ethnologen und Museumspädagogen Florian Stifel über die Indianer, von den man dank Karl May und unzähligen Western vermeintlich so viel weiß. "Häuptling" und "Federschmuck"fällt dem Publikum als erstes auf Nachfrage ein. Dass man Eskimos heute besser Inuits nennt, wissen auch viele. Stifel allerdings erklärt, dass Eskimo in der einen Region "Rohfleischfresser" bedeutet und als Schimpfwort gilt, in einer anderen aber für "Schneeschuhflechter" steht.

Es gibt - oder gab - eben sehr viele Indianerstämme und -sprachen. Zur Sprachgruppe der Sioux, die kein Stamm sind, gehören die Mandan, von denen die wertvollsten Exponate der Nordamerika-Abteilung stammen. Um 1830 verbrachte der Naturforscher Maximilian Prinz zu Wied-Neuwied mit seinem Maler Karl Bodmer einen Winter bei den Mandan. 113 Stücke seiner Sammlung sind im Linden-Museum zu sehen, unter anderem das Kriegskleid von Häuptling Matí Topé. Der tapfere Mann hatte sich viele Federn für seinen Schmuck erkämpft - übrigens ohne seine Gegner gleich töten zu müssen. Am Ende rafften ihn wie neun von zehn Leuten seines Stammes die eingeschleppten Pocken dahin. Auch das Skalpieren wurde vom weißen Mann eingeführt, wie der Ethnologe erklärt: Den Engländern dienten die abgetrennten Kopfhäute als Beleg für Kopfgeldzahlungen.

Für manchen gibt es also immer wieder Neues zu erfahren im Linden-Museum, in dem unter der Leitung von Inés de Castro nach einigen schwächeren Jahren auch wieder die Besucherzahlen steigen. 65.000 waren es 2010, dieses Jahr sollen es deutlich mehr werden. Allein für die Sonderausstellung "Indiens Tibet" haben sich 30.000 Menschen interessiert, wie der Pressesprecher Martin Otto-Hörbrand sagt. Aber auch in Zukunft soll es "keine Events geben, die nicht zum Haus passen". Soeben wurde ein Jugendclub gegründet, dessen Finanzierung durch den Förderverein für zwei Jahre gesichert sei. Bei diesem wichtigen Bildungsaspekt verwendet Otto-Hörbrand auch einen Begriff, der generell für den etwas altmodischen Völkerkundemuseum stehen könnte: "Kompetenzzentrum für interkulturelles Lernen".