Die Linkspartei verabschiedet an diesem Wochenende ihr Wahlprogramm. Es ist vielleicht in manchen Teilen realitätsfern, aber es ist klar und unmissverständlich, kommentiert unser Autor Norbert Wallet.

Hannover - Kann man einer Partei vorwerfen, wenn sie ohne Rücksicht auf politische Konstellationen oder Positionen anderer Parteien ihre Haltung formuliert? Nein, das wäre absurd. Im Gegenteil, jede Partei braucht diese Selbstvergewisserung und die Wähler haben einen Anspruch, den programmatischen Wesenskern einer Partei zu kennen. Insofern wird die erwartbare Kritik von SPD oder Grünen am Verlauf des linken Bundesparteitags ins Leere laufen.

 

Die Linkspartei verabschiedet an diesem Wochenende ihr Wahlprogramm. Es ist vielleicht in manchen Teilen realitätsfern, aber es ist klar, unmissverständlich und ohne Versuche, harte Forderungen mit vernebelten Formulierungen weich zu verpacken. Gegen all das ist nichts zu sagen. Was an diesem Parteitag dagegen irritierend ist, sind einige Redebeiträge der Parteiführung. Parteichef Riexinger hat Martin Schulz in ungewöhnlich harten Wendungen attackiert. Die Botschaft ist klar: Die SPD verspiele mit ihrer Hinwendung zur FDP, einem zu wirtschaftsfreundlichen Kurs und einem koalitionstaktischem Lavieren die Chance auf eine rot-rot-grüne Veränderungsperspektive.

Die halbe Wahrheit

Das ist allenfalls die halbe Wahrheit. Am richtungslosen Taumeln des SPD-Kanzlerkandidaten ist sicher strategisch vieles auszusetzen. Ganz sicher hat Schulz die mancherorts kurzzeitig auflodernde Hoffnung auf eine mehrheitsfähige Politik links von Angela Merkel selbst – mindestens durch Ungeschicklichkeit – selbst gelöscht.

Und dennoch. Die Linke macht auf ihrem Parteitag in aller Deutlichkeit klar, dass das „rot-rot-grüne Projekt“ allenfalls ein verlockendes Rechenspiel ist, dem aber die inhaltliche Unterfütterung völlig abgeht. Die Linken sind für: ein Rentenniveau von 53 Prozent und eine Mindestrente von 1050 Euro, einem Mindestlohn von 12 Euro die Stunde, ein Investitionsprogramm von 120 Milliarden Euro, eine Vermögenssteuer, einen Spitzensteuersatz von 75 Prozent für Millionäre. Die Liste kann weiter ergänzt werden.

Das alles kann man fordern. Aber es verlangt einen Willen zur radikalen gesellschaftlichen Umverteilung des Reichtums, der sicher bei den Linken, aber ganz gewiss nicht bei SPD und Grünen vorhanden ist. Deshalb ist der Vorwurf an die SPD im Kern nicht treffend, sie gebe das rot-rot-grüne Projekt auf. Die Wahrheit ist, dass die Linke alleine steht.

Daraus ist kein Vorwurf zu stricken. Die Verteilungsfrage radikal aufzuwerfen, kann der Debattenkultur einer Gesellschaft vielleicht ganz gut tun. Aber es gibt eben kein gemeinsames Lager aus Linken, Sozialdemokraten und Grünen.