Die US-Amerikanerin Lisa Davis steigt an entscheidender Stelle ins Topmanagement des Industriekonzerns ein. Die 50-Jährige hat Erfahrungen bei Ölkonzernen wie Shell, Texaco und Exxon gesammelt und ist bestens mit dem US-Energiemarkt vertraut.

München - Wer Lisa Davis googelt, den Namen der neuen Vorstandsfrau des Münchner Siemens-Konzerns, landet erst einmal bei einer US-Schauspielerin aus den 60er Jahren. Die 50-Jährige, von der man nur von Fotos her weiß, dass sie ihre blonden Haare kurz trägt, hatte kein Außenstehender auf der Rechnung und auch firmenintern rätseln die meisten über den Überraschungscoup von Siemens-KonzernchefJoe Kaeser.

 

Der Konzernvorstand wird wieder etwas weiblicher

Ihre Wahl ist in vielerlei Hinsicht bemerkenswert und für das Unternehmen mutmaßlich wegweisend. Erstens sorgt Davis dafür, dass der jüngst zur reinen Männerriege geschrumpfte Konzernvorstand wieder etwas weiblicher wird. Die Karrieren ihrer Vorgängerinnen Barbara Kux und Brigitte Ederer sind vor wenigen Monaten nach relativ kurzen Gastspielen zu Ende gegangen. Zweitens sorgt Davis für einen Hauch Internationalität im Spitzengremium der Münchner, wo bislang nicht nur alle Vorstände männlich sondern auch deutsch sind. Die Bestellung einer Frau und US-Amerikanerin bedeutet insofern ein Signal nach außen wie innen.

Für das Geschäft wichtiger sein dürfte ein anderer Umstand. Davis wird ihre Vorstandsgeschäfte von den USA aus führen. Erstmals in der Geschichte von Siemens wird damit ein maßgeblicher Teil der Aktivitäten von außerhalb Deutschlands gemanagt. Das hat einen guten Grund. Die 50-Jährige, die Golfspielen, reisen, lesen und Zeit mit der Familie verbringen als ihre Hobbys angibt, hat bislang ihre gesamte Karriere bei Ölkonzernen verbracht, angefangen bei Exxon über Texaco bis zuletzt als Strategiechefin bei der britisch-niederländischen Royal Dutch Shell. Sie kennt sich exakt dort hervorragend aus, wo Siemens hin will: im boomenden US-Energiemarkt, wo die hierzulande umstrittene Fracking-Technologie gerade bei Öl und Gas für Furore sorgt. Siemens war bislang von diesem Geschäft abgeschnitten.

Davis siedelt von London nach Florida über

Die Ingenieurin, die an der kalifornischen Berkeley-Universität studiert hat, soll das ändern, wenn sie im August von London nach Orlando im US-Bundesstaat Florida umzieht. Sie soll dafür sorgen, dass Siemens den US-Erzrivalen General Electric (GE) vor dessen Haustür bei einem lukrativen Geschäft endlich angreifen kann. Das ist sozusagen die Replik auf den GE-Vorstoß beim französischen Alstom-Konzern, bei dem GE wiederum im Vorhof von Siemens wildern möchte.

„Im Rückblick waren einige meiner besten Entscheidungen auch die härtesten“, sagte Davis vor drei Jahren bei einer Ehrung durch das Magazin „Women worth watching“. Bei Siemens dürfte sie einige Gelegenheit dazu bekommen. Gleichzeitig muss sie wissen, wie es um weibliche Vorstandskarrieren im Münchner Männerladen bislang bestellt war und sich entsprechend wappnen. Ihre Lebensphilosophie könnte der neuen Energiefrau von Siemens dabei helfen. Sie lautet: Lebe mit Hingabe, sei entscheidungsfreudig, wenn die Zeit dafür gekommen ist, und habe Spaß.