Die Stuttgarter Studentin Andrea Friedel ist für ihre Kurzgeschichten schon mit mehreren Preisen ausgezeichnet worden. Sie schreibt auch über den Missbrauch an Kindern. Nun arbeitet sie an ihrem eigenen Buch.

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Stuttgart - Wer sich mit Andrea Friedel verabredet, trifft auf ein schlankes, schüchternes Mädchen, das sich selbst als faul bezeichnet. „Es ist wirklich unglaublich schwierig, im Mathe-Abitur auf einen einzigen Punkt zu kommen“, sagt sie und lächelt. Ihr ist es nicht gelungen – dafür hat sie in den Deutsch-Klausuren regelmäßig Bestnoten eingeheimst. Seit dem Oktober des vergangenen Jahres studiert die 19-Jährige Germanistik und Geschichte an der Uni Stuttgart. Doch anstatt Fachbegriffe zur modernen Literatur zu lernen, wie sie es zur Prüfungsphase derzeit sollte, schreibt sie viel lieber selbst.

 

Andrea Friedel kann schwer abschätzen, wie viele Texte bei ihr daheim in Stuttgart-Freiberg in der Schublade liegen. „Die meisten sind sowieso viel zu schlecht“, sagt sie schnell. Die mehrfachen Auszeichnungen lassen etwas anderes vermuten. Ihr wurde in den vergangenen Jahren zweimal der erste Platz beim Schreibwettbewerb der Hilfsorganisation Care verliehen und zweimal der dritte Platz beim Jugendlyrikpreis.

Zweimal beim Care-Schreibwettbewerb gewonnen

Mit 13 Jahren hat Andrea Friedel zum ersten Mal einen Text geschrieben, der nicht für die Schule bestimmt war. Ein Jahr später reichte sie eine Kurzgeschichte bei einem Wettbewerb des Rowohlt-Verlags ein – und gewann prompt: „Die Geschichte wurde auch veröffentlicht“, sagt sie. Heute ist ihr der Text eher unangenehm: „Das war noch sehr kindisch geschrieben.“

Mit dem nachdenklichen und erwachseneren Text „Johan, ich und der alte Zug“ hat sie im November 2014 bei der Ausschreibung der Hilfsorganisation Care mit dem Titel „Was macht dich reich?“ den ersten Platz gemacht. Die Antwort auf die Wettbewerbsfrage hat sie ihrem Protagonisten Johan in den Mund gelegt: „Ich glaube einfach, dass ein Mensch nur dann wirklich reich ist, wenn er sich nicht die Frage stellen muss, ob er reich ist.“

Keine autobiografischen Züge

Schon im Vorjahr wurde ihr in der Alterskategorie 16 bis 20 Jahre der erste Preis verliehen mit dem Text „Vaters Kleber“. In dem Text geht es um ein junges Mädchen, das regelmäßig von ihrem Vater sexuell missbraucht wird. Der Speichel, der ihm dabei vom Mund tropft, bezeichnet Andrea Friedel als „Vaters Kleber“.

Wenn man den Text mit der Unterzeile „Für alle Kinderschänder dieser Welt“ liest, stellt sich unweigerlich die Frage, ob der Text autobiografische Züge hat. „Nein“, sagt Andrea Friedel. „Ich habe mich mit dem Thema Kindesmissbrauch beschäftigt, weil es in meinem Bekanntenkreis ein großes Thema war.“ Dies habe sie damals sehr mitgenommen. „Das Schreiben war mein Ventil, damit umzugehen.“ Den Text hat Andrea Friedel auch in einer Schule in Bonn vorgetragen. „Die Lehrerin hat mir dann später erzählt, dass viele Schüler danach offener mit dem Thema umgegangen seien“, erzählt sie im Rückblick. „Das war ein großer persönlicher Erfolg für mich.“

Neues Projekt ist ein eigenes Buch

Ihr Traum ist es, nach dem geisteswissenschaftlichen Studium auch einmal Geld mit Literatur zu verdienen – allerdings nicht mit der eigenen: „Da bin ich schon realistisch“, sagt sie. „Und auch wenn es sich romantisch-naiv anhört: Um das Geld geht es mir beim Schreiben nicht.“ Stattdessen könnte sie sich vorstellen, einmal als Lektorin in einem Verlag zu arbeiten. Doch nun ist erst einmal das Studium an der Reihe – und sie ist an ihrem nächsten Projekt dran. „Ich schreibe zur Zeit an einem Buch“, erzählt Friedel. „Darin soll es um ein junges Mädchen gehen, das eine Existenzkrise hat.“ Das Buch soll ein Art Briefroman werden, in dem die Protagonistin Briefe an das Weltall schreibt.

„Mein Bruder sagt immer, ich solle mal etwas Fröhlicheres schreiben“, sagt sie lachend. Doch das Gesellschaftskritische und Nachdenkliche lässt Andrea Friedel nicht so richtig los: „Es ist gar nicht mein Anspruch, dass ich nur solche Texte schreibe“, sagt sie. „Aber das passiert dann irgendwie einfach so.“