Der Literaturpfad im Arboretum, das zum Botanischen Garten in Tübingen gehört, wertet das etwas abseits gelegene Gelände kräftig auf. Etwa 20 verschiedene Bäume erregen mit einem jeweils passenden Gedicht die Aufmerksamkeit der lyrisch interessierten Spaziergänger.

Tübingen - Als Herbert Beilschmidt bei einem Spaziergang durch das Arboretum des Botanischen Gartens stand, sei ihm Theodor Fontanes Gedicht ,Herr von Ribbeck auf im Havelland’ eingefallen, erzählt er. Vor der Linde, die einige Schritte weiter steht, fielen ihm andere passende Dichter ein, beispielsweise schrieb Annette von Droste-Hülshoff „Du gute Linde“. Beilschmidt ist der Natur wie der Literatur verbunden und gehört dazu dem Förderkreis des Botanischen Gartens an.

 

Aus dieser Ausgangslage heraus entstand das Projekt „Literaturpfad Arboretum“. Auf einem Rundweg wurden Bäume mit dem passenden Gedicht versehen, das soll bis Mitte September so bleiben. An einem stabilen Pfosten finden sich die Tafeln. Rote Schirme im Grün lenken die Aufmerksamkeit auf die Tafeln und schützen sozusagen symbolisch die Lyrik vor Unbilden. Trotz mancher Befürchtungen haben die Schirme schon manchen Sturm schadlos überstanden. 20 Bäume des Arboretums wurden auf diese Weise mit Worten bedacht. „Zum Tulpenbaum habe ich nur ein Gedicht gefunden, aber es ist ein schönes“, sagt Beilschmidt. Arno Holz hat den Titel gewählt: „In meinem glühendsten Tulpenbaum . . .“ Darin findet sich die Schlusszeile, „wenn in deine Seele die Sonne scheint, besuch mich mal“. Holz (1853 – 1929) war ein deutscher Dichter und Dramatiker des Naturalismus und Impressionismus. Auch das ist der Tafel neben dem Baum zu entnehmen, die jede Leserin und jeder Leser dank einer leichten Kette in die passende Position bringen kann. An manchen Bäumen lädt eine Bank zum Verweilen ein.

Fast 10000 Pflanzenarten aus fünf Kontinenten

Der Botanische Garten der Universität Tübingen auf der Morgenstelle bietet auf einer Fläche von zehn Hektar fast 10 000 Pflanzenarten aus fünf Kontinenten. Besucher stehen vor Landschaften, die nach geografischen, ökologischen oder thematischen Gesichtspunkten geordnet sind. Bäume dürfen in diesem Ensemble nicht fehlen. Sie sind im Arboretum (lateinisch arbor = baum) versammelt. Dieser Teil des Botanischen Gartens ist auf der anderen Seite des Nordrings zu finden. Den Fußgängerweg nutzen freilich eher wenige Freunde der Botanik. Und wenn einer dorthin fand, sah er sich mit seinem Wissen über den durchaus stattlichen Baumbestand oft recht allein gelassen. Allenfalls der Name des Baumes auf Lateinisch und Deutsch stand auf kleinen, teils verblichenen Schildchen. Zumindest für die 20 Gedichtbäume hat die Verwaltung des Botanischen Gartens dieses Informationsmanko behoben. Neben der Lyrik informiert eine Tafel über die Hölzer. Der Tulpenbaum beispielsweise, immerhin bis zu stattliche 40 Meter hoch, steht vorwiegend in Nordamerika, das Gewächs ist durchaus von Bedeutung für die Holzindustrie.

Hermann Hesse („Ich Steppenwolf trabe und trabe“) und Friedrich Hölderlin („Des Morgens“) sind bei Birke und Buche zu finden. Diese Dichter mit engem Bezug zu Tübingen durften laut Beilschmidt in der Aufzählung keinesfalls fehlen. Urheberrechte wurden bedacht, wobei sich „die Verlage sehr unbürokratisch verhalten haben“, wie der Initiator anmerkt. Seine Frau Eva-Maria Beilschmidt führt in der Tübinger Innenstadt die Buchhandlung Wekenmann. Da lag es nahe, passende Lyrik dort zu suchen. Weiteres fand sich im Internet. Das Projekt führt viele Aspekte Tübingens zusammen: Es ist die Stadt der Bücher, eine Stadt der Lehre und Forschung, und sie hat außerdem eine lange Geschichte im Bereich der Botanik.

Details zum Literaturpfad

Bis zum 13. September 2015 ist der Literaturpfad Arboretum im Botanischen Garten der Universität Tübingen angelegt. Er ist kostenlos begehbar: Montag bis Freitag von 7.30 bis 16.45 Uhr, Samstags 8 bis 16.45 Uhr, Sonntags und Feiertags von 8 bis 18.45 Uhr. Das Arboretum befindet sich oberhalb des Nordrings und ist somit durch diese Straße vom Botanischen Garten getrennt.

An mehreren Tagen in dieem Sommer finden Lesungen und Führungen statt. So bietet die Kabarettistin, Autorin und Schauspielerin Dietlinde Elsässer am 8. Juni um 17 Uhr Lyrisches und Prosaisches dar zum Thema „Soll Baum und Garten wohl gedeihn, dann brauchst im Juni Sonnenschein“. Aktuelle Infos jeweils unter: www.wekenmann-buch.de . Im Botanischen Garten
sind auf insgesamt zehn Hektar verschiedene Landschaften vom Alpenraum über Prärien Nordamerikas hin zum tropischen Regenwald nachgestellt.