Bei Meinungsumfragen wird die „Allianz für Fortschritt und Aufbruch“ (Alfa) kaum wahrgenommen. Das ist doppelt bitter für ihren Vorsitzenden Bernd Lucke, der einst die AfD hochgezogen hat und nach der Abspaltung deren Durchmarsch verfolgen muss.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Bernd Lucke kennt die große politische Bühne. Dort stand er bis zum vorigen Sommer – bis er im Streit von seinem politischen Ziehkind, der „Alternative für Deutschland“ (AfD), vertrieben wurde und mit Getreuen die „Allianz für Fortschritt und Aufbruch“ (Alfa) gründete. Deren Vorsitzender ist er nun, zudem Abgeordneter im Europaparlament. Doch gefragt ist er kaum noch: Seit einem dreiviertel Jahr wird der Wirtschaftsprofessor nicht mehr zu Talkshows eingeladen, in denen über die AfD geredet wird. Das wundert Lucke: „Ich habe gedacht, dass dies nahe gelegen hätte.“ Er sei doch derjenige, der die AfD maßgeblich geprägt hat.

 

Zu Alfa, so ist zu erkennen, muss er noch seltener Stellung nehmen. Deren Zustimmungswerte sind vor den drei Landtagswahlen aus Sicht der Meinungsforscher kaum messbar. „Wir wissen, dass unser Problem die mangelnde Bekanntheit ist“, sagt Lucke in der StZ-Redaktion. Alfa habe keine Mandatsträger und sehr wenig Geld für Plakatwerbung zur Verfügung. Die Situation sei schwierig und habe sich anders entwickelt, als man es sich bei der Parteienspaltung erhofft hätte. „Durch die Fokussierung auf ein Thema, die Flüchtlinge, sind mit einer differenzierteren Argumentation nicht viele Blumentöpfe zu gewinnen.“ Derweil profitiere die AfD von der Stimmung auf der Straße – „das bedaure ich“.

„Alfa ist nicht fremdenfeindlich“

Seine Kernaufgabe bleibt es zwangsläufig, eine Abgrenzung von der AfD vorzunehmen, zumal viele ihrer Anhänger noch nicht mal erkannt hätten, dass der einstige Mitbegründer Lucke gar nicht mehr in der AfD sei. „Alfa ist völlig frei von fremdenfeindlichen Ressentiments und nicht der Auffassung, dass man die Flüchtlingskrise dadurch löst, indem man sagt: Wir wollen die Flüchtlinge einfach nicht haben – egal, was aus ihnen wird“, betont Lucke. Er plädiert stattdessen für eine „atmende Obergrenze, die von den Kommunen unter Berücksichtigung ihrer Aufnahmefähigkeit bestimmt wird“. Damit nehme man eine Position zwischen der AfD und den etablierten Parteien ein. Auch habe Alfa eine kritische, aber grundsätzlich positive Einstellung zu Europa. „Bei uns will niemand aus der EU austreten, was in der AfD eine weit verbreitete Stimmung geworden ist.“

Einst hat Lucke fast ausschließlich gegen den Euro gewettert – heute ist die frühere politische Heimat der Hauptgegner: „Mir tut nicht der Erfolg der AfD an sich weh, sondern ihre Entwicklung zu einer Partei, die ähnlich wie der Front National oder Geert Wilders in den Niederlanden mit latent ausländerfeindlichen Inhalten in den zweistelligen Bereich vordringt.“ Damit sei die Chance vorerst verpasst, eine Erneuerung im bürgerlichen Lager anzustoßen. An der AfD-Spitze um Frauke Petry stellt der 53-Jährige „noch mal eine deutliche Radikalisierung“ fest. „Die AfD wird nicht geführt von ihrer Führung, sondern getrieben von Stimmungen an der Basis.“ Diese äußere sich vielfältig etwa im Internet und erwarte, dass die Spitze dies aufnimmt. „Entweder man passt sich an oder leistet Widerstand und wird überrollt.“ Der Mann spricht aus leidvoller Erfahrung.