Von den 3566 Kilometer Bundesstraße in Baden-Württemberg werden 116 mautpflichtig für Lkw. Verkehrsminister Hermann ist das nicht genug. Außerdem möchte er auch die „Sprinter-Klasse“ zur Kasse bitten.

Stuttgart - Genau 116,7 Kilometer in Baden-Württemberg unterliegen von heutigem Mittwoch an zusätzlich der Mautpflicht. Eine bescheidene Zahl angesichts von 3566 Bundesstraßenkilometern, die durchs Land führen. Und weil die Mautpflicht somit nur auf wenigen Wegen neu erhoben wird, hat sich Baden-Württemberg im Bundesrat enthalten, als es um das Gesetz zur Neuregelung mautrechtlicher Vorschriften für Bundesfernstraßen (BFStrM) ging. „Die Intention des Gesetzes ist zwar ein Schritt in die richtige Richtung, er ist aber aus der Sicht Baden-Württembergs zu klein“, erklärt das Verkehrsministerium in Stuttgart.

 

Eine Mautstrecke muss zur Autobahn führen

Der Grund für die Beschränkung liegt in den Kriterien: Mautpflichtig wird eine Bundesstraße nur, wenn sie unmittelbar zur Autobahn führt, mindestens vier Kilometer lang ist, mit zwei Fahrspuren in jede Richtung ausgebaut ist, über einen Mittelstreifen verfügt und es sich – das ergibt sich schon aus diesen Kriterien – nicht um eine Ortsdurchfahrt handelt.

Kritik an der Neuregelung übt Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne)noch aus einem anderen Grund. Er fordert eine Maut nicht nur für die schweren Lkw über zwölf Tonnen. „Versprinterung des Transportwesens“ lautet sein Stichwort dazu. Wie beim Papiertaschentuch, das über alle Herstellergrenzen hinweg als „Tempo“ bezeichnet wird, hat Mercedes mit dem „Sprinter“ einen einprägsamen Begriff für alle Kleinlastwagen bis 3,5 Tonnen geschaffen. Ein Name mit Inhalt sogar, denn über die Sprinter wird immer wieder diskutiert, weil für sie kein Tempo-Limit gilt. Und dabei geht es nun nicht um Taschentücher, sondern um die Gefahren wie die langer Bremswege, wenn ein gut geladener 190-PS-Laster aus 160 km/h und mehr abgebremst werden muss. Rund die Hälfte der rund 290 000 in Baden-Württemberg zugelassenen Lastwagen gehören zu diesen Leichtgewichten.

Verkehrsminister Hermann will auch Sprinter zur Kasse bitten

Hermann will auch die Sprinter-Klasse zur Kasse bitten, natürlich nicht nur auf den Bundesstraßen, sondern auf allen mautpflichtigen Verkehrswegen. „Dass die kleinen Modelle schnell und kostenlos fahren dürfen, muss ein Ende haben,“ sagt der Minister.

Nach der Einführung der Lkw-Maut gab es viele Klagen, dass der Verkehr in erheblichem Maße von den Autobahnen auf die Bundesstraßen verlagert worden sei. Anwohner sollen erheblich belästigt und beeinträchtigt werden. Laut der IHK-Region Stuttgart wurden entsprechende Anstiege des Lkw-Verkehrs allerdings nur in wenigen Ausnahmefällen – beispielsweise auf der B 10 in Enzweihingen – nachgewiesen. Ob bisher belastete Ortschaften jetzt aufatmen können, ist eher unwahrscheinlich, weil die Bundesstraßenmaut eben nur auf autobahnähnlich ausgebauten Straßen erhoben wird.

Ministerium will mit Verkehrszählung Umfahrungen prüfen

Die nächsten Monate werden zeigen, ob manche Transportunternehmer ein zweites Mal ausweichen und diese Abschnitte zu Lasten von Landes- oder Kreisstraßen meiden. Der Städte- und Gemeindetag sieht diese Gefahr als nicht allzugroß an. Das Gewerbe würde eher nach dem Motto „Zeit ist Geld“ handeln, erklärte ein Sprecher. Zeitverluste auf untergeordneten Straßen wiegen seiner Meinung nach schwerer als das Einsparen von 17 Cent je Kilometer auf mautfreien Strecken. Laut Verkehrsministerium sollen Verkehrszählungen konkrete Antworten zu den Fragen nach den Ausweich verkehren geben.

Grundsätzlich will der Bundesrat auf Initiative Baden-Württembergs von der Bundesregierung wissen, wie sich die Ausweitung der Lkw-Maut auf Ballungsräume und Wohngebiete auswirkt und ob es sinnvoll ist, Bundesstraßen in Ortsdurchfahrten mit einzubeziehen.