Die Firma Lockheed Martin kündigt vollmundig an, in wenigen Jahren einen Fusionsreaktor zu entwickeln, der Flugzeuge betreiben könnte. Physiker, die schon seit Jahrzehnten an der Technologie arbeiten, bleiben erst einmal skeptisch.

Stuttgart - Thomas McGuire hat sich Großes vorgenommen. „In zwanzig Jahren haben wir saubere Energie für die Welt“, sagt er. Das klingt nicht nach vager Hoffnung, sondern nach Gewissheit, dass er auf gutem Wege ist. Und da McGuire bei einem Luftfahrtunternehmen arbeitet, wird seine Vision auf diesem Gebiet konkreter: „Die nächste Generation von Flugzeugen braucht keinen Treibstoff mehr. Einfach in der Luft bleiben, unbegrenzte Reichweite, unbegrenztes Durchhaltevermögen – das wird ein Flugzeug können, dank der Kernfusion.“

 

McGuire stellt seine vielversprechenden Pläne im Internet vor, auf den Seiten seines Arbeitgebers, während in Sankt Petersburg die Gemeinde der Fusionsforscher tagt. McGuire, der 2007 seinen Doktor in der berühmten amerikanischen Technikschmiede MIT gemacht hat, ist inzwischen auf der Karriereleiter in der Militärtechnik- und Luftfahrtschmiede Lockheed Martin in den USA aufgestiegen. Er leitet eine Forschungsgruppe in einer Abteilung, die unter dem ursprünglich ironisch gemeinten Namen Skunk Works bekannt ist und seit den vierziger Jahren im Geheimen besonders zukunftsträchtige Entwicklungsaufträge bearbeitet. Für wolkige Angeberei ist Skunk Works nicht bekannt.

Lockheed Martin ist jetzt mit McGuires Plänen an die Öffentlichkeit gegangen, einer Ankündigung die, so berichtet das britische Technikmagazin „The Register“, manche Experten mit hochgezogenen Augenbrauen quittiert hätten. Zu diesen dürften auch die Professoren Karl Lackner und Sibylle Günter vom Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP) in Garching gehören. Sie haben sich Patentanmeldungen von Lockheed angesehen und kommen in einer ersten Reaktion zu dem Fazit: „Wie man bei der hier vorgeschlagenen Konfiguration eine positive Energiebilanz erreichen will, ist nicht einmal ansatzweise im Patentvorschlag erwähnt.“

Es sind schon viele kleine Anlagen getestet worden

Kernfusion, die Energiegewinnung durch Verschmelzung der Kerne leichter Atome, ist die Energiequelle der Sonne. Auf der Erde wurde sie erstmals in den fünfziger Jahren mit der Wasserstoffbombe realisiert. Seitdem wird weltweit an einem Fusionskraftwerk geforscht. Derzeit entsteht in Cadarache in Südfrankreich der Versuchsreaktor Iter. Er wird einmal zweistellige Milliardenbeträge gekostet haben und so gigantisch sein, dass er definitiv in kein Flugzeug passen wird. Er wird nicht einmal netto Energie erzeugen können.

McGuire und Lockheed Martin arbeiten dagegen an einer Anlage, die die Maße eines großen Lastwagens haben soll. McGuire will in einem Jahr eine Testanlage und in fünf Jahren einen Prototypen fertigstellen. In zehn Jahren könne es ein funktionierendes Kleinkraftwerk mit rund 100 Megawatt (MW) Leistung geben.

Er habe „das Beste aus mehr als 60 Jahren“ Kernfusionsforschung zusammengefügt, erklärt er selbstbewusst. Technisch greift er in der Tat auf Konzepte zurück, deren Ansätze aus den 60er Jahren stammen. 1960 wurde das IPP gegründet. „In den ersten fünf bis sieben Jahren“ habe das Institut, wie andere auch, „endlos viele kleine Anlagen“ ausprobiert, erklärt die Sprecherin Isabella Milch. Am Ende seien „in einer Art Evolutionsprozess“ die Techniken übrig geblieben, die heute verfolgt werden und die zwingend zu Großanlagen führen.

Verdacht der Physiker: es entweicht zu viel Energie

In Fusionsreaktoren wird der Brennstoff, meist die Wasserstoff-Varianten (Isotope) Deuterium und Tritium, auf viele Millionen Grad aufgeheizt und mit Magnetfeldern festgehalten. In Großanlagen ziehen die elektrisch geladenen Plasma-Partikel in reifenförmigen Behältern, genannt Tokamak, ihre Bahnen. McGuire spricht von einer magnetischen Flasche. Magnetfelder sollen, wie Spiegelflächen, die Brennstoffteilchen immer wieder in die Mitte eines Behälters zurückwerfen und dort zum Verschmelzen bringen. Doch das könne nicht funktionieren, sagen Lackner und Günter, weil nämlich „geladene Teilchen entlang von Magnetfeld-Linien aus dem eingeschlossenen Gebiet entweichen können, was zu einem nicht tolerierbaren Energieverlust führt“.

Erstaunt hat Experten auch, dass Lockheed Investoren für seine Pläne sucht. Die Firma mache Milliardengewinne, zitiert „The Register“ einen US-Forscher. Und fragt: warum finanzieren sie nicht selbst?