In den Gesundheitsberufen wird der flexible Einsatz von Arbeitskräften immer wichtiger. Davon profitieren die Personaldienstleister. Viele Jobs sind aber erheblich schlechter bezahlt.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Noch sind die absoluten Zahlen im Vergleich sehr gering, doch lassen die Zuwachsraten auf eine große Dynamik schließen. Demnach gewinnt die Leiharbeit in den Gesundheits- und Pflegeberufen einen hohen Stellenwert. Nach Erkenntnissen der Bundesagentur für Arbeit (BA) ist die Zahl der Zeitarbeitnehmer in diesem Bereich von 2005 bis 2011 um mehr als 400 Prozent gestiegen. Wurden zunächst 3200 Arbeitnehmer von Personaldienstleistern ausgeliehen, so waren es sechs Jahre später 16 350 Kräfte.

 

Die Bundesagentur hatte damit eine Anfrage der Linken-Politikerin Sabine Zimmermann beantwortet. „Selbst gefragte Fachkräfte wie Krankenschwestern und Altenpfleger müssen sich mittlerweile als Leiharbeitskräfte verdingen und dem Lohndumping aussetzen“, klagt die arbeitsmarktpolitische Sprecherin ihrer Partei. Denn der BA zufolge erhalten zwei Drittel der Zeitarbeitnehmer in diesen Bereichen einen Niedriglohn. Im Schnitt bekam ein Vollzeitmitarbeiter (Stand Ende 2010) 1599 Euro im Monat. Reguläre Krankenschwestern und Altenpfleger hingegen verdienen laut Tarifvertrag im öffentlichen Dienst in der Grundstufe 2132 Euro brutto – als Helfer immerhin noch 1910 Euro.

Mindestlohn von 8,75 Euro in der Pflege

Harald Seemann, der Geschäftsführer des Personaldienstleisters Home of jobs, verweist jedoch auf den Mindestlohn von derzeit 8,75 Euro in der Stunde. „Den müssen wir auch zahlen“, sagt er im StZ-Gespräch. „Sonst würden wir das Personal nicht mehr bekommen.“ Seemann berichtet von einer großen Nachfrage nach Zeitarbeitnehmern – im Pflegehelferbereich wie bei den Fachkräften. Der Bedarf wachse in der Alten- und Krankenpflege gleichermaßen. Unter den Kunden seien nicht nur Altenpflegeheime, sondern auch staatliche und private Krankenhäuser. Selbst in Kindertagesstätten ist Leiharbeit kein Fremdwort mehr. Das Personal wird zur Bewältigung von Urlaubszeiten geordert oder um Spitzenzeiten abzudecken. Meist handelt es sich um flexible Tageseinsätze, weniger um längerfristige Tätigkeiten.

Auch bei den Leiharbeitskräften ist eine große Bandbreite zu verzeichnen: Fachärzte und sehr gut qualifiziertes OP-Personal sind ebenso zu finden wie Pflegehilfskräfte. Seemann zufolge arbeiten etliche sogar freiwillig für den Personaldienstleister. Da gebe es Arbeitnehmer, „die lange bei einer Klinik angestellt waren und dann zu uns gekommen sind, weil sie aus dem Alltagstrott herauswollten“, berichtet er. „Die wollen sich ihre Flexibilität bewahren und dazulernen.“ In anderen Fällen entscheide sich ein Beschäftigter für den Personaldienstleister, weil er dort einen unbefristeten Vertrag erhalte, statt von einer Klinik lediglich befristet eingestellt zu werden.

Alle Faktoren sprechen für einen weiteren Aufschwung bei der Leiharbeit. Einerseits hat die rasch alternde Gesellschaft einen immer höheren Pflegebedarf – andererseits haben sich die Kliniken und Pflegeeinrichtungen auf einen drastischen Sparkurs begeben. Immer öfter richten sie sogar eigene Personalservicegesellschaften ein, um neue Kräfte nur noch unter Tarifniveau zu entlohnen.