Der Deutsche Gewerkschaftsbund fordert kräftige Einkommens-Steigerungen. Arbeitgeberpräsident Hundt verlangt eine produktivitätsorientierte Lohnpolitik. Die Meinungen der Wissenschaftler über die Tarifsteigerungen gehen deutlich auseinander.

Stuttgart - B

 

ei den Tarifrunden 2013 setzt DGB-Chef Michael Sommer auf deutliche Lohnsteigerungen. Mit Blick auf die Gespräche in der Metall- und Elektroindustrie sagte der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), er wolle der Entscheidung der Tarifkommission zwar nicht vorgreifen, „aber es geht um reale Lohnzuwächse. Dies dient auch der Stabilisierung der Binnenkonjunktur und der Steigerung von Massenkaufkraft.“

Sommer erklärte, „gerade jene, die das Land am Laufen halten, den Reichtum erwirtschaften, verdienen es, ihren gerechten Anteil zu bekommen.“ Real ist ein Lohnzuwachs, wenn er die Inflation mehr als ausgleicht. Die Gewerkschaften wollen für die Beschäftigten auch einen Anteil am Produktivitätsgewinn.

Im öffentlichen Dienst hofft der DGB-Chef, „dass für die Beschäftigten der Länder ein ähnlich gutes Ergebnis wie in den Kommunen herauskommt. Es gibt dafür auch Verteilungsspielraum.“ Sommer hob hervor: „Der öffentliche Dienst darf nicht abgekoppelt werden. Man darf ihn nicht mit Niedriglöhnen abspeisen.“ Die Angestellten der Länder sollen nach dem Willen der Gewerkschaften 6,5 Prozent mehr Geld bekommen. Für die zwei Millionen Beschäftigten von Bund und Kommunen waren im Frühjahr 6,3 Prozent mehr Geld in mehreren Stufen für die nächsten zwei Jahre ausgehandelt worden. Die öffentlichen Kassen haben zuletzt von den reichlich sprudelnden Steuereinnahmen profitiert.

Die Angestellten der Länder sollen mehr Geld bekommen

Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt forderte mit Blick auf die Tarifrunden am Bau, in der Metall- und Elektroindustrie, bei Versicherungen und für die Beschäftigten der Länder eine „flexible, differenzierte und produktivitätsorientierte Lohnpolitik“. Die Binnennachfrage in Deutschland habe bisher schon nicht unter einer zu geringen Lohnentwicklung gelitten. „Im Gegenteil, die Löhne sind 2011 und 2012 um rund drei Prozent gestiegen.“ Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Hans Heinrich Driftmann, meinte, die vergleichsweise moderaten Abschlüsse der vergangenen Jahre hätten wesentlich dazu beigetragen, dass der deutsche Arbeitsmarkt die Euro-Schuldenkrise bisher so gut gemeistert habe.

Der Chef der Wirtschaftsweisen, Wolfgang Franz, sieht für die Tarifrunden 2013 rund zwei Prozent Spielraum. „Der Sachverständigenrat geht für das nächste Jahr von einem Produktivitätsfortschritt in Höhe von 0,6 Prozent aus und erwartet eine Preissteigerungsrate des Bruttoinlandsprodukts von 1,5 Prozent. Der gesamtwirtschaftliche Verteilungsspielraum beträgt also rund zwei Prozent“, sagte Franz der „Rheinischen Post“. Diesen Spielraum sollten die Tarifvertragsparteien in Deutschland aber nicht ganz ausschöpfen, um einen Beitrag für die Schaffung neuer Arbeitsplätze zu leisten. Denn zur Vollbeschäftigung sei es noch ein gutes Stück des Weges, sagte Franz.

Anders als Franz sieht der Vorstandsvorsitzende des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Gert Wagner, die Ausgangslage für die kommenden Tarifrunden. Wagner warb an Weihnachten für Abschlüsse von „im Durchschnitt vier Prozent oder mehr“. Dies sei „sinnvoll, um die Binnennachfrage anzukurbeln und so die extrem ausgeprägte Exportabhängigkeit zu mindern“. Wagner forderte, „die Tarifparteien sollten „endlich mal mutig sein.“ Die Lohnpolitik habe „lange Zeit die möglichen Verteilungsspielräume, die sich aufgrund der Produktivitätssteigerungen und der Teuerung ergeben, nicht ausgeschöpft“, meinte Wagner.