Michael Wulf führt das Café Schurr in der Böblinger Straße 85 in der dritten Generation – mit Traditionsbewusstsein. Große Ketten machen der kleinen Konditorei mit Cafébetrieb oft das Leben schwer. Wulf punktet dafür mit selbstgemachtem Kuchen, Torten und sogar Eis.

Psychologie/Partnerschaft: Nina Ayerle (nay)

S-Süd - Systemgastronomie, moderne Einheitscafés und hippe Szeneläden sind Michael Wulf ein Graus. In seinem Café Schurr in der Böblinger Straße ist das Leben irgendwie noch wie vor 60 Jahren. Das Traditionshaus im Stuttgarter Süden wirkt nicht nur von der Einrichtung her etwas aus der Zeit gefallen. Nein, bei ihm gibt es noch Kuchen und Torten, von denen amerikanische Kaffeeketten sicherlich nicht den Hauch einer Ahnung haben, wie sie hergestellt werden. Den zum Besuch mitgebrachten Coffee-to-go straft der Konditormeister nur mit einem kurzen abschätzigen Blick ab.

 

Der 47-jährige Stuttgarter betreibt seinen Beruf mit Leidenschaft. Die Konditorei mit Cafébetrieb und idyllischer Hinterhofterrasse führt er bereits in der dritten Generation. Seine Großeltern haben das Café in den 1950er Jahren eröffnet und punkteten damals bei den Heslachern mit wuchtigen Sahnetorten und selbst gemachtem Eis.

Wohnen und Arbeiten liegt nahe beieinander

Der Betrieb ist im selben Haus, in dem Michael Wulf aufgewachsen ist und in dem er heute noch lebt. „Bei mir liegt Wohnen und Arbeiten nah beieinander“, sagt er. Nur für kurze Zeit hat er das Familiencafé verlassen – für die Lehre. Weit hatte er es dafür nicht: Gelernt hat er das Tortenbacken im Café Kaiserbau. Danach war er zwei Jahre unterwegs, um sich weiterzubilden – am Tegernsee, in Garmisch und in Lindau. Natürlich habe er zwischendurch immer wieder „daheim“ ausgeholfen. Nach der Meisterprüfung an der Hoppenlau-Schule stieg er in der Konditorei ein, die inzwischen von seinen Eltern geführt wurde. Seit rund 14 Jahren betreibt er das Café allein. „Meine Mutter hilft mit, aber nicht mehr in der ersten Reihe“, sagt er. „Die wichtigen Entscheidungen überlässt sie mir.“

Nie habe er daran gezweifelt, die Konditorei zu übernehmen. „Ich finde es spannend, mit frischen Lebensmitteln zu arbeiten“, sagt Wulf. Und das, obwohl es heutzutage wohl einfachere Jobs als jene in der Gastronomie gebe, fügt er hinzu. Inzwischen sei vieles anders als noch zu Zeiten, in denen sein Großvater das Café eröffnet habe. „Heute wird alles auf der Straße getrunken“, sagt er und wirft noch einmal einen abwertenden Blick auf den Kaffeepappbecher. Die Menschen nehmen sich aus Wulfs Sicht immer weniger Zeit zum Essen und vor allem zum Genießen. Ursprüngliche Lebensmittel nehmen sie laut dem Konditor fast gar nicht mehr zu sich. Viel wichtiger sei es da ja, in die großen Ketten zu rennen und dort jeden Preis für jede Qualität zu bezahlen. „Und das alles nur, weil es hip ist“, klagt der 47-Jährige. Ändern würde sich das häufig nur bei Frauen, und zwar dann, wenn sie Mutter würden. „Dann setzen sie wieder auf die ursprünglichen Sachen“, ist Wulfs Erfahrung.

Die Konkurrenz der großen Ketten macht das Leben schwer

Für einen Konditor wie ihn sei es oft schwer, da mitzuhalten. „Ich habe nur einen Betrieb und kann nicht jedes halbe Jahr einen neuen aufmachen“, sagt Wulf. Als kleiner Konditor könne er keine groß angelegten Marketing-Kampagnen fahren. Die machen aber seiner Meinung nach den Unterschied. „Wenn es jemandem lange genug eingetrichtert wird, dann glaubt er auch, dass es gut ist.“ Traditionelle Cafés, die auf originale Lebensmittel und gute Qualität setzten, haben es da immer schwerer, weiß Wulf. „Wir sind immer hinterher und nie vorne dran.“ Sich an diese Trends anpassen will er aber nicht. „Ich habe bewusst alles traditionell gehalten“, sagt er.

Wenn er nicht gerade mit bürokratischen Angelegenheiten beschäftigt ist, dann steht Wulf selbst in der Backstube. „Häufig gebe ich aber auch nur Ideen weiter“, sagt er. Wichtig ist ihm nämlich, dass seine Auszubildenden wissen, wie alles frisch produziert wird. Um dieses Wissen möglichst weit zu verbreiten, engagiert sich Wulf noch als Prüfungsvorsitzender bei der Handwerkskammer für den Nachwuchs. „Auch wenn sie nicht in dem Beruf bleiben, wissen sie wenigstens, wie man eine Torte macht“, sagt Wulf. Und das sei schon einmal eine wichtige Grundlage.