Der Internationale Bund betreibt seit Kurzem an der Hauptstätter Straße das Kulturcafé Mittendrin. Julia Bischoff (links) und Katharina Lindemann stehen dort hinter der Theke.

Psychologie/Partnerschaft: Nina Ayerle (nay)

S-Süd - Zugegeben, der Ausblick aus dem Kulturcafé Mittendrin könnte schöner sein. Aus dem hellen, freundlichen Raum blicken die Gäste direkt auf die B 14 und die heruntergekommenen Häuserfassaden der Hauptstätter Straße. Ironisch nennen Katharina Lindemann und Julia Bischoff ihr neues Tagescafé deshalb „Café Abgas“. Passende kulinarische Ideen hat Lindemann dazu ebenfalls schon. Ein Kuchen oder eine Torte mit dem Namen „Hauptstätterle“ soll das Aushängeschild werden. An dem Rezept arbeiten die neuen Chefinnen noch. Lindeman schwebt ein dunkler, schwerer Schokoladekuchen vor. Der soll sich natürlich nur optisch an das Umfeld anpassen, nicht geschmacklich.

 

Lieber Gastronomie statt Bürojob

Seit Mitte Juni betreibt der Internationale Bund (IB), ein Freier Träger der Jugend-, Sozial- und Bildungsarbeit an der Hauptstätter Straße 199-121 das Kulturcafé Mittendrin. Die Leitung obliegt Lindemann und Bischoff. Liebevoll haben die beiden Damen das Innere hergerichtet. „Bei der Gestaltung hatten wir einen großen Freiraum“, sagt Bischoff. Den nutzen die beiden, auch wenn dies bedeutet, das sie nur selten pünktlich um 18 Uhr die Schürze an den Nagel hängen können. Ein Café bedeutet viel Arbeit. „Das war mir klar. Ein bisschen ist es, wie selbstständig zu sein“, sagt die stellvertretende Leiterin Julia Bischoff.

Ihren Bürojob als Produktmanagerin in einem Stuttgarter Verlag hat sie gerne dafür an den Nagel gehängt. Im Studium habe sie häufig in der Gastronomie im Service gearbeitet, erzählt die gebürtige Badenerin. Das habe sie vermisst. Auch der Kontakt zu Menschen fehlte ihr. „Die Stellenanzeige hat mich sofort angesprochen.“ Die 32-Jährige mit den feuerroten Locken freut es besonders, dass ihre neue Wirkungsstätte direkt in ihrem Stadtteil ist. „Ich wollte schon immer gerne hier etwas tun.“ Seit zehn Jahren ist die Kommunikationswissenschaftlerin und gelernte Buchhändlerin am Marienplatz zu Hause. Ein Grund mehr, warum sie ihren neuen Job mit Herzblut betreibt.

Aus Abenteuerlust nach Stuttgart

Auch Katharina Lindemann hat sich gleich in den Marienplatz verliebt. Die 51-Jährige lebt seit April in Stuttgart. Die Familie hat sie zu Hause in der Nähe von Lörrach gelassen. „Ich hatte etwas Abenteuerlust verspürt“, erzählt sie. Der Wunsch nach einer Auszeit von ihrem Familienalltag und ein Vollzeitjob hat sie deshalb ins Schwäbische verschlagen. „Die Kinder finden das auch cool“, sagt sie und lacht. Die gelernte Bürokauffrau aus dem Badischen lebt nun im Stuttgarter Westen in einer „Erwachsenen-WG“ und will nun mal schauen, wie es „sich so bei den Schwaben lebt“.

Die Eingewöhnungsphase falle ihr leicht. Schließlich ist ihre Kollegin ebenfalls aus der badischen Heimat. Zwei Badenerinnen im schwäbischen Ausland – das verbindet. „Ich spreche wieder fast wie zu Hause“, sagt Bischoff. Auch inhaltlich ergänzt man sich. „Wir haben eine ähnliche Vorstellung, was schön und gut ist“, sagt Bischoff. Bei der Auswahl ihrer Produkte setzen sie, wenn möglich, auf den Stuttgarter Süden. Die Backwaren sind von Hafendörfer, die Blumen von benachbarten Blumenhändlern, die Gemälde von dem Friseur Jürgen Schwartz aus der Römerstraße. Und was es auf dem Wochenmarkt am Marienplatz gibt, kaufen sie dort. „Wir nennen uns Kulturcafé. Kultur fängt bei gutem, regionalen Essen an“, sagt Lindemann.

Bald soll es dort noch mehr Kultur geben. Lesungen, Vernissagen und ein Sprachstammtisch schweben den Chefinnen vor. In den ersten Wochen war das Café Anlaufstelle für die Schüler der Ausbildungseinrichtungen des IB. „Da haben wir uns bereits etabliert“, sagt Bischoff. Aus der Nachbarschaft haben sich bisher wenige Menschen her verirrt. Das soll anders werden. „Wir wollen eine Begegnungsstätte für den Stadtteil werden“, sagt Lindemann. Mit kleinen internationalen Gerichten wollen die beiden nun das Herz der benachbarten Schwaben erobern.